Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU) [Ost]

von Ralf G. Jahn
 


  Einleitung     Die Ära Hermes / Schreiber     Die Ära Kaiser / Lemmer     Die Gleichschaltung 1948-52     Die CDU als Objekt sowjetischer Deutschlandpolitik     Der "Christliche Realismus"     Die gleichgeschaltete Blockpartei 1950-89     Innenleben der Partei     Die Blockparteien aus SED-Sicht     Beteiligung an der Macht     Die Hochschulgruppen der CDU     Opponenten in der CDU     Die Exil-CDU     Wahlen     Funktionsträger     Kurzbiographien    
   
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Einleitung

Die CDU der DDR war die einzige Partei, die den gleichen Namen wie eine Westpartei trug. Beide hatten denselben Ursprung.

In der ersten Phase, die von der Parteigründung 1945 bis ins Jahr 1950 reichte, vertrat die CDU der SBZ eine mehr oder weniger christlich-sozialistische, auf parlamentarisch-demokratische Verhältnisse zielende Politik, trat für die Wiedervereinigung Deutschlands auf neutraler Grundlage (Brücke zwischen Ost und West) ein und stand mit der KPD/SED wegen deren von der SMAD unterstützten Führungsanspruchs und der sich abzeichnenden Entwicklung zur kommunistischen Diktatur in der SBZ in ständiger Auseinandersetzung. In der zweiten Phase von 1950 bis 1989 präsentierte sich die CDU der DDR als prokommunistische zentralistische Kaderpartei. Im Verlauf der „gesellschaftlichen Wende“ 1989/90 entledigte sie sich ihrer prokommunistischen Führung, näherte sich an die westdeutsche Schwesterpartei an und vereinigte sich am 1.10.1990 mit dieser.

Alles, was in der DDR geschah, ereignete sich in einer Klammer, vor der das Vorzeichen "Sowjetunion" stand. Und das Wirken der Ost-CDU ist wiederum in einer weiteren Klammer innerhalb der großen festzumachen, vor der ihrerseits das Vorzeichen: "führende Rolle der SED" zu berücksichtigen war. Diejenigen, die Heimat, Familie und auch die berufliche Existenz in den Ländern östlich von Helmstedt hatten, waren daher gezwungen, unter Anerkennung der Realitäten, unter denen die sowjetische Besatzungsmacht die dominierende war, ihr Dasein zu fristen und im übrigen auf die Wiedervereinigung zu warten. Der augenblickliche politische Zustand war stets ein vorübergehender. Denn was war denn die DDR?

  • Die kommunistische Staatlichkeit in Deutschland,
  • das Produkt und Instrument sowjetischer Deutschlandpolitik,
  • die staatliche Organisation der politischen Minderheit der deutschen Nation, die die kommunistische Parteidiktatur in ganz Deutschland anstrebte.

    Wenn das labile Patt zwischen den Supermächten zugunsten der eindeutigen Dominanz einer einzigen abgelöst wird, dann - das war klar - kommt die Wiedervereinigung, wobei das siegreiche System sich dann in ganz Deutschland durchsetzt. Dies war die Grundvoraussetzung allen politischen Handelns in der SBZ/DDR. Das Gerede von einer "sozialistischen Nation" war eine ideologische Mißgeburt und wurde infolgedessen nach der Wende 1989/90 völlig fallengelassen. Nur daß die Wiedervereinigung erst 1990 vollzogen wurde, das konnte man um 1950 noch nicht erahnen.

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    Die Ära Hermes / Schreiber (Juni – Dez. 1945)

    Am 26. Juni 1945 unterzeichneten in Berlin 36 Personen den Aufruf der "Christlich-Demokratischen Union Deutschlands", deren Grundsätze sich im Namen widerspiegelten: "Christlich" als Bekenntnis zu den sittlich verpflichtenden Grundsätzen des Christentums im öffentlichen Leben und zur Überwindung der konfessionellen Schranken; "Demokratisch" als Bekenntnis zum Dienst an der Gemeinschaft und der Freiheit des Menschen im Gegensatz zum Totalitarismus; "Union" als umfassende politische Kraft, die der Herausforderung des Wiederaufbaues gewachsen war; "Deutschland" als Anspruch der Union, nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland ihre politische Wirksamkeit zu entfalten.

    Der Gründerkreis machte nicht nur den Zusammenschluß von Katholiken und Protestanten, Akademikern und Gewerkschaftlern, sondern auch die Verbindung von Politikern unterschiedlicher Herkunft deutlich: Andreas Hermes, Otto Lenz, Heinrich Krone, Jakob Kaiser, Emil Dovifat, Heinrich Vockel, Hans Lukaschek, Johann Baptist Gradl u.a. waren ehemalige Mitglieder des Zentrums; Otto Nuschke, Walther Schreiber und Ferdinand Friedensburg gehörten der DDP an, Ernst Lemmer, ebenfalls Mitglied der DDP, war Generalsekretär der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine gewesen; die Christlichen Gewerkschaften waren vertreten durch Jakob Kaiser, Josef Ersing, Elfriede Nebgen und Mina Amann. Die zuletzt genannten gehörten ebenso wie Johann Eudenbach und Heinrich Krone zum Widerstandskreis der Christlichen Gewerkschaften in Berlin. Jakob Kaiser, der bis 1933 als Landesgeschäftsführer der Christlichen Gewerkschaften tätig war, hatte nach dem Verbot der Gewerkschaften von Berlin aus zusammen mit Wilhelm Leuschner (Freie Gewerkschaften) und Max Habermann (Deutsch-Nationaler Handlungsgehilfenverein, DHV) ein Netz von Widerstandsgruppen der Gewerkschaften in ganz Deutschland und Österreich organisiert. Er stellte Verbindungen zum Kreis um Goerdeler und zur Militäropposition her. Mit Kaiser und Goerdeler standen auch Hermes und Lenz in Kontakt; Teilnehmer des Kreisauer Kreises waren Hans Lukaschek, Paulus van Husen, Hans Peters, Otto Heinrich von der Gablentz; Ferdinand Friedensburg, Heinrich Vockel und Rudolf Pechel waren wegen ihrer kritischen Haltung zum Nationalsozialismus zeitweilig verhaftet; Theodor Steltzer, der zu den aktiven Widerstandskämpfern der Heeresgruppe Nord zählte, hatte in zwei Denkschriften von 1933 und 1944 seine Kritik am Nationalsozialismus formuliert. Steltzer und Robert Tillmanns gehörten der Bekennenden Kirche an.

    Hier in Berlin wurde besonders deutlich, daß sich die Gegner des Nationalsozialismus und die überlebenden Widerstandskämpfer zur Gründung der CDU zusammengefunden hatten. Im Geist "der Kämpfer echter demokratischer Gesinnung" sollte der Wiederaufbau Deutschlands erfolgen.

    Die CDU wurde in der SBZ am 26.06.1945 als eigenständige, gesamtdeutsche und christlich-soziale Partei gegründet. In ihrem Gründungsaufruf, dessen Wortlaut von der sowjetischen Besatzungsmacht genehmigt werden mußte, sprachen sich die Unterzeichner für „geistige und religiöse Gewissensfreiheit“, die Unabhängigkeit der Rechtspflege, für die Verstaatlichung bestimmter Wirtschaftszweige und für einen wahrhaft demokratischen Staat aus, der es mit der Achtung der Menschenwürde ernst nehmen sollte.

    Die CDU forderte „die christlichen, demokratischen und sozialen Kräfte zur Sammlung, zur Mitarbeit und zum Aufbau einer neuen Heimat“ auf. Im Bemühen um eine neue politisch-moralische Wertsetzung wie um die Überwindung der konfessionellen Spaltung wurde hervorgehoben, daß „eine Ordnung in demokratischer Freiheit“ nur entstehen könne, wenn man sich „auf die kulturgestaltenden sittlichen und geistigen Kräfte des Christentums“ besinne und diese Kraftquelle dem deutschen Volk erschließe. Die Partei wollte „den wahrhaft demokratischen Staat“, „der auf der Pflicht des Volkes zu Treue, Opfer und Dienst am Gemeinwohl ebenso ruht wie auf der Achtung vor dem Recht der Persönlichkeit“. Das Recht müsse wieder „die Grundlage des ganzen öffentlichen Lebens“ werden, „das öffentliche Leben“ im übrigen „in strenger Sparsamkeit weitgehend auf Selbstverwaltung“ beruhen. Die Volksvertretung sollte „die brüderliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller die Demokratie bejahenden Parteien und aller aufbauwilligen Kräfte“ verwirklichen.

    Den Aufbau des Wirtschaftslebens wollte die CDU „ohne jede Rücksicht auf persönliche Interessen und wirtschaftliche Theorien in straffer Planung durchführen“. Sie bejahte „das Privateigentum, das die Entfaltung der Persönlichkeit sichert, aber an die Verantwortung für die Allgemeinheit gebunden bleibt“, und verlangte, „daß die Bodenschätze in Staatsbesitz übergehen“. Der Bergbau und „andere monopolartige Schlüsselunternehmungen unseres Wirtschaftslebens“ sollten „klar der Staatsgewalt unterworfen“ werden. Eine „umfassende ländliche und gärtnerische Siedlung“ war „unter weitgehender Heranziehung des Großgrundbesitzes“ vorgesehen.

    Über das Verhältnis zu anderen Parteien „der neuen Demokratie“ wurde lediglich mitgeteilt, daß man zusammen mit ihnen „am Aufbau Deutschlands“ arbeiten wolle. Ausdrücklich wurde „die Kraft“ anerkannt, „die von der Arbeiterschaft in das Volksganze einströmt“. Die vorgesehene einheitliche Gewerkschaftsbewegung von Arbeitern und Angestellten fand die Zustimmung der CDU.

    Hinsichtlich des Verhältnisses von Kirche und Staat forderte die CDU „geistige und religiöse Gewissensfreiheit“, die Unabhängigkeit aller kirchlichen Gemeinschaften und „eine klare Scheidung der kirchlichen und staatlichen Aufgaben“.

    Von maßgeblichen Kräften in der Partei wurde der Marxismus-Leninismus abgelehnt. Man wollte mit der KPD/SED zwar in der antifaschistisch-demokratischen Einheitsfront zusammenarbeiten, nicht jedoch ihre Führung anerkennen. Die CDU verstand sich als unabhängige politische Parteigründung, in Konkurrenz auch zur KPD/SED.

    Im Laufe des Sommers 1945 gelang es der CDU durch die Mobilisierung früherer Zentrums- und DDP-Politiker, aber auch unter Einbeziehung von Gruppen die sich unabhängig vom Berliner Gründungskreis um die Bildung einer bürgerlichen Partei christlichen Zuschnitts bemüht hatten, sich neben Berlin in allen Ländern der SBZ zu etablieren. Erster Vorsitzende wurde der Reichsminister a.D. Andreas Hermes, sein Stellvertreter der ehemalige preußische Handelsminister Walther Schreiber.

    Seit ihrer Gründung stellt sich die Geschichte der CDU in erster Linie als die einer erzwungenen Unterwerfung unter die politischen und ideologischen Vorstellungen und den totalitären Herrschaftsanspruch der sowjetischen Besatzungsmacht und der deutschen Kommunisten dar.

    Schon wenige Wochen nach der Gründung von CDU und LDP wurde die Einheitsfront antifaschistisch-demokratischer Parteien, der Antifa-Block, gebildet, die alle vier bisher zugelassenen Parteien in einem für alle verbindlichen Planungs- und Vorentscheidungsorgan zusammenfaßte. Von Beginn an hatte die KPD in der Einheitsfront das Übergewicht. Sie stützte sich auf die SMAD, die die Potsdamer Beschlüsse der Alliierten auf ihre Weise auslegte und durchsetzte. Der Antifa-Block faßte seine Beschlüsse durch Vereinbarung, war also den sich entwickelnden parlamentarischen Ebenen vorgeschaltet. Damit hatte sich die KPD bzw. die SED, eine Möglichkeit geschaffen, für sie ungünstige Mehrheitsverhältnisse zu neutralisieren.

    Die Kommunisten bekämpften zunächst diejenigen Parteiführer von CDU und LDP, die auf eine traditionelle parlamentarische Demokratie drängten. Die beiden Parteien gerieten in Schwierigkeiten mit den Besatzungsbehörden, weil diese die SED unterstützten. Sie mußten Zugeständnisse machen, um selbst unter einer kommunistischen Besatzung ihre Autonomie bewahren zu können. Da alle Parteien zur "antifaschistischen" und "demokratischen" Politik verpflichtet waren, wurden diese Begriffe instrumentalisiert, konnten SMAD und SED "progressive" Gruppen in den Parteiführungen gegen "reaktionäre" ausspielen, wobei die Bezeichnungen der jeweiligen Situation entsprechend verwendet wurden.

    Die sowjetische Besatzungsmacht unterband nicht nur Versuche der Berliner Parteileitung zu engerer Kontaktnahme mit örtlichen und regionalen Organisationen christlicher Demokraten in den westlichen Besatzungszonen, sondern griff auch rigoros in das innere Gefüge der Partei ein. Die SMAD behinderte den Parteiaufbau, versagte oder verknappte die materielle Ausrüstung, verzögerte oder erschwerte die Registrierung von Kandidaten bei Wahlen, förderte und korrumpierte ihr willfährige Politiker, setzte Kritiker ab und bestimmte an deren Stelle andere. Gleichzeitig wurden Tausende von Mitgliedern der CDU und LDPD verhaftet, oft zu langen Zuchthausstrafen oder zur Zwangsarbeit verurteilt und in die Sowjetunion verschleppt.

    Die Bodenreform, die zur Enteignung des Grundbesitzes mit über 100 Hektar Fläche führte, wurde auch von den bürgerlichen Parteien mitgetragen. Doch in der praktischen Durchführung kam es zu Auseinandersetzungen. Die CDU-Führung wehrte sich dagegen, daß Eigentümer, die nicht durch eine NS-Vergangenheit belastet waren, entschädigungslos enteignet wurden. Außerdem wurden vielerorts auch Landwirtschaftsbetriebe weit unter 100 Hektar und von unbelasteten Bauern enteignet. Als die CDU nicht nachgab, mußten die beiden Vorsitzenden der CDU, Andreas Hermes und Walther Schreiber auf Befehl der SMAD im Dezember 1945 ihre Ämter niederlegen und aus dem Zentralausschuß der CDU ausscheiden.

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    Die Ära Kaiser / Lemmer (Dez. 1945 – Dez. 1947)


    Der neue Vorsitzende Jakob Kaiser war aus der christlichen Gewerkschaftsarbeit hervorgegangen und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Verfechter der Idee eines christlichen Sozialismus. Daher stand er einem Umbau der Gesellschaft nach sozialistischen Prinzipien nicht entgegen. Sein Widerstand entzündete sich aber entschieden an dem aus der Sowjetunion übernommenen totalitären und dogmatischen Sozialismus und an der Etablierung einer antireligiösen Kultur.

    Mit Kaiser kam in der CDU eine Strömung zum Zuge, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine solidarische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung schaffen wollte. In diesen Kreisen war in den Wochen des Umbruchs auch über eine Parteineugründung nachgedacht worden, die die Sozialdemokraten hätte miteinschließen können. Auch in der CDU gab es die Überzeugung, daß die Deutschen umerzogen werden müßten. Bei der Gründung des Antifa-Blocks im Sommer 1945 waren noch viele Vertreter der bürgerlichen Parteien der Meinung, die neue Gemeinsamkeit könne dem Neuaufbau nützlich sein. In der Regel waren für die Christdemokraten und auch die Liberalen die Grenzen erst erreicht, wenn sie erkenen mußten, daß sie lediglich benutzt wurden, und der gesellschaftliche Umbau Recht und Menschenwürde verletzte. Dann schöpften sie alle noch bestehenden Möglichkeiten der Opposition und des Widerstandes auch aus.

    Auf dem 1. Parteitag der CDU vom 15.-17.06.1946 wurde die völlige Wesensverschiedenheit des „Christlichen Sozialismus“, welcher letztlich nur die traditionellen Muster der christlichen Soziallehre von der Solidarität mit den Armen und Ausgebeuteten aufnahm, vom atheistischen und klassenkämpferischen Marxismus betont; der Marxismus sei „mit dem sittlichen Gesetz des Christentums unvereinbar“.

    Die Konflikte mit der sowjetischen Besatzungsmacht setzten sich auch unter der neuen Parteiführung (Kaiser, Lemmer) fort, u.a. im Zusammenhang mit den ersten Wahlen in der SBZ im Herbst 1946, die der neue Parteivorsitzende Kaiser zu einer Entscheidung zwischen Marxismus und Christentum erklärte („Christentum oder Marxismus! Darum geht es!“). Die Ergebnisse waren mit 18,8% der Stimmen bei den Gemeindewahlen, 25,2% bei den Kreistagswahlen und 24,5% bei den Landtagswahlen (jeweils bezogen auf das Gesamtgebiet der SBZ) beachtlich.

    Grundlegende Meinungsverschiedenheiten mit der SED in der Beurteilung der von dieser im Dezember 1947 initiierten Volkskongreßbewegung „für Einheit und gerechten Frieden“ verschafften der SMAD die Handhabe, Kaiser und Lemmer am 20.12.1947 aus ihren Ämtern zu drängen und damit das Ende einer eigenständigen CDU in der SBZ einzuleiten.

    Wie in der Bodenreformfrage, war die CDU auch nicht grundsätzlich gegen eine Neuordnung der Besitzverhältnisse in der Industrie. Sie trug, wie auch die LDPD, vor allem die vereinbarte Enteignung der Betriebe von sogenannten Naziaktivisten und Kriegsverbrechern mit. Der Dissens zur SED ergab sich aus den oft unmenschlichen und willkürlichen Formen der Enteignungen. In der CDU wurde auch kritisiert, daß die Sozialisierung der Wirtschaft nichts anderes als eine Verstaatlichung mit nachfolgender Bürokratisierung darstellte, also keine Vergesellschaftung und Demokratisierung der Wirtschaft erbrachte und jeder wirtschaftlichen Vernunft widersprach. Da die SED in den ersten Wirtschaftsplanungen das Stalinsche Konzept vom Primat der Schwerindustrie übernommen hatte, polemisierte die bürgerliche Opposition auch gegen die den mitteldeutschen Verhältnissen vollkommen unangemessenen Zielvorstellungen. Für sie war absehbar, daß mit einer starren Planwirtschaft in diesem Wirtschaftsraum eher Schwierigkeiten organisiert würden.

    Ein eigenes Wirtschafts- und Sozialprogramm beschloß der erweiterte Parteivorstand der CDU am 29. und 30.07.1948. Es lehnte eine „autokratische Befehlswirtschaft“ ab und forderte „eine gelenkte Bedarfswirtschaft“ mit einem gesunden Wettbewerb zwischen dem privaten und dem volkseigenen Sektor ohne eine „irgendwie geartete Bevorzugung“ des letzteren.

    Die gesamte Zeit bis zur endgültigen Umgestaltung war gekennzeichnet von der schrittweisen Lähmung und Umfunktionierung der CDU durch die SMAD, die SED und die in der CDU wirkenden prokommunistischen Kräfte. Die Veränderung von Funktion, Organisation und Programmatik der CDU vollzog sich innerhalb der Partei als auch durch die schrittweise Umwandlung der gesamten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse der SBZ. So hat etwa die Schaffung eines Systems staatlicher Betriebe, in denen die SED von Anfang an dominierte, erheblich zur Schwächung von CDU und LDP und damit zur Umgestaltung beigetragen. Denn die Besatzungsmacht schuf mit der befohlenen Sowjetisierung der SBZ ein politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches System, in dem die CDU und die LDP mehr und mehr wie Fremdkörper wirkten. Die von der Besatzungsmacht geschaffenen Realitäten schlugen sich in den Programmen, den Arbeitsmöglichkeiten und in der Organisation von CDU und LDP nieder und trugen so zur Veränderung der Parteien bei. Darüber hinaus aber wurden CDU und LDP ab 1948 vor dem Hintergrund der Teilung Deutschlands und der schnellen Sowjetisierung der SBZ den veränderten Verhältnissen durch unmittelbare Maßnahmen der SMAD/SKK und SED angepaßt. Dabei wurden durch die restriktive Politik der SMAD in der SBZ gerade die politischen Kreise protegiert, die über kaum Rückhalt unter den Mitgliedern der CDU verfügten.

    Die CDU war gegenüber der allmächtigen Besatzungsmacht völlig in der Defensive, bemühte sich aber, wo und wann sie konnte, der Umgestaltung der Ordnung der SBZ Einhalt zu gebieten. Auf alle gravierenden Maßnahmen bei der Umgestaltung der SBZ zu einer kommunistischen Diktatur reagierte die CDU bis Anfang 1950 regelmäßig mit Protesten und anderen Aktionen, die ihr vergebliches Bemühen um den Erhalt der Eigenständigkeit und um die Demokratisierung der Gesellschaft dokumentieren. Durch physischen und psychischen Druck, Parteiausschlußverfahren, erzwungene Mandatsverzichte, willkürliche Verhaftungen, Schauprozesse u.a.m. wurden die demokratischen Kräfte der Partei innerhalb weniger Jahre ausgeschaltet oder flohen in den Westen. Alle Landesvorsitzenden der CDU, die sich im Dezember 1947 im Koordinierungsausschuß zusammengefunden hatten, waren – außer Lobedanz – bis zum Sommer 1950 entweder abgesetzt, im Zuchthaus oder auf ungeklärte Weise ums Leben gekommen.

    Von Berlin(West) aus versuchte die Gruppe um Kaiser, aus der sich 1950 die Exil-CDU bildete, den ursprünglichen politischen Willen der CDU-Mitglieder in der SBZ/DDR weiter zu vertreten. Dort aber mußte wegen des fortgesetzten Gleichschaltungsdrucks die CDU bei ihrem 6. Parteitag im Oktober 1952 die führende Rolle der SED „vorbehaltlos“ anerkennen.

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    Die Gleichschaltung 1948-1952

    Die Parteiführung ging 1948 auf Otto Nuschke über, der in seiner bedingungslosen Loyalität gegenüber der sowjetischen Besatzungsmacht die CDU der SBZ gegen den Willen der meisten ihrer Mitglieder den Zielsetzungen der SED unterzuordnen begann. Zunächst zusammen mit W. Wolf nur interimistisch mit der Leitung der Partei betraut, wurde er auf dem 3. Parteitag (18./19.09.1948 in Erfurt) als Vorsitzender bestätigt. Kritische Stimmen aus den Reihen der Partei, die sich z.B. im Jahre 1949 in dem von H. Hickmann geführten Landesverband Sachsen und in der CDU-Fraktion des Landtages von Brandenburg gegen eine Staatsgründung auf dem Territorium der SBZ aussprachen, wurden totgeschwiegen oder ausgeschaltet. Dieser, in der offiziellen Parteigeschichtsschreibung als „Reinigungskrise“ dargestellte Prozeß war im wesentlichen im Spätsommer 1950 abgeschlossen.

    In die am 12.10.1949 von der Volkskammer der DDR bestätigte Regierung O. Grotewohl wurden Nuschke als stellvertretender Ministerpräsident aufgenommen und der Ost-CDU 4 (von 18) Ministerposten sowie 3 (von 19) Staatssekretärsstellen eingeräumt, ohne daß sich an der Zurückdrängung und Entmachtung dieser Partei etwas geändert hätte.

    Ende November 1949 eröffneten SED-Presse und „Tägliche Rundschau“ eine Kampagne gegen CDU-Funktionsträger in den Ländern. Das Ziel war unverhüllt eine nochmalige Säuberung der Partei von Kritikern und Gegnern des neuen Kurses. Die Partei sollte wie eine Kaderpartei in eine gehorsame Gefolgschaft der zentralen Parteiführung verwandelt werden, in der Nuschke und Dertinger die Führung hatten. Der Sturz des Landesvorsitzenden Hickmanns am 30.01.1950 bedeutete das Ende jeglicher Eigenständigkeit der sächsischen CDU. Dort wurden nun Kreisvorsitzende, Kreisräte und andere Funktionäre der mittleren Ebene abgesetzt und ganze Kreisvorstände aufgelöst. In die zahlreichen Stellen, die durch die Absetzungen und die Fluchtwelle frei wurden, rückten prokommunistische CDU- und SED-Mitglieder nach. Dabei nahm die SED über die Nationale Front und die Blockausschüsse massiv auf die Besetzung Einfluß. Kein CDU-Kandidat hatte ohne die Zustimmung der SED eine Chance, ein Amt als Bürgermeister, Kreis- oder Landrat zu erhalten. Auch in die Provisorische Volkskammer und in den Landtag zogen nun fast ausnahmslos prokommunistische CDU-Abgeordnete. Zahlreiche Funktionäre wurden vom Geheimdienst vor die Alternative gestellt, in Zukunft entweder als Spitzel zu arbeiten oder abgesetzt und verhaftet zu werden. So ging es in der ganzen DDR in Denunziationen, persönlichen Angriffen, aber auch mit physischer Gewalt. Im Februar 1950 flohen innerhalb von zwei Wochen 128 führende Mitglieder der Ost-CDU nach Berlin(West), neben drei Ministern auch zahlreiche Kommunalvertreter. In manchen Parlamenten ging die CDU/LDP-Mehrheit verloren, weil die „Nachrücker“ nicht mehr ausreichten. Überall im Lande traten Tausende von Mitgliedern aus der CDU aus. Waren es im Dezember 1947 noch 218.000 Mitglieder (Höchststand), waren es in den 1960er Jahren nur noch 70.000. 1981 gab die Partei ihre Mitgliederzahl mit „über 120.000“ an.

    In den Jahren 1948-50 wurden mindestens 597 CDU-Mitglieder wegen Auseinandersetzungen innerhalb der (Ost-)CDU inhaftiert und vielfach verschleppt. Viele von ihnen verloren in der Haft oder Verschleppung das Leben. Nur wenige Beispiele: der frühere Staatssekretär im preußischen Finanzministerium Frank Schleusener, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion Brandenburg, in Potsdam am 30.03.1950 verhaftet, am 3.04.1950 in der Haft „tot aufgefunden“; MusikdirektorLudwig Baues, CDU-Ortsgruppenvorsitzender in Potsdam, am 29.03.1950 verhaftet, in der Haft in Cottbus verstorben; Pfarrer Reinhard Guettner, Fürstenberg (Oder), im Aug. 1950 verhaftet, in der Haft verstorben; Walter Kolberg, Bäckermeister in Wolgast, CDU-Kreisvorstandsmitglied Greifswald, am 20.09.1950 verhaftet, in Workuta verstorben; Werner Ihmels, Leipzig, JU, verhaftet und in der Haft verstorben; R. Walter Möhring, früher Inhaber der bekannten Glockengießerei Apolda, in Workuta verstorben.

    Durch die Einheitslistenwahlen vom 15.10.1950 verlor die CDU fast völlig ihren politischen Einfluß auf die Staatsführung, da die Volkskammer von kommunistischen Abgeordneten, die als Mitglieder der SED und der von ihr dominierten „Massenorganisationen“ ins Parlament gekommen waren, beherrscht wurde. Zwar hatte die CDU noch wichtige Funktionen innerhalb der Regierung inne, dennoch blieb ihr Einfluß sehr begrenzt. Von einer gemeinsamen Blockpolitik mit einvernehmlichen Regelungen war zu diesem Zeitpunkt nichts mehr übriggeblieben.

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    Die CDU als Instrument sowjetischer Deutschlandpolitik

    Während die Bedeutung der CDU innerhalb der SBZ/DDR ständig sank, behielt sie als möglicherweise entscheidender Faktor im Falle einer Wiedervereinigung für die Sowjets eine Bedeutung. Auch die führenden Politiker der Ost-CDU waren sich im klaren darüber, daß die Zukunft ihrer Partei von der Wiedervereinigung abhing und die Entscheidung für die Teilungsoption das politische Ende der CDU bedeutete. Unter der Anleitung des Außenministeriums der DDR, das vom ehemaligen CDU-Generalsekretär Dertinger geleitet wurde, entwickelte die CDU der DDR eine umfangreiche Westarbeit, die auf die Destabilisierung der Regierung Adenauer und gegen die Westbindung Westdeutschlands gerichtet war. Die CDU der DDR versuchte, Kontakte zu westlichen Unionspolitikern herzustellen, die in Opposition zur Politik Adenauers standen (u.a. zu Gustav Heinemann) und beteiligte sich an „Volksaktionen“ und Appellen gegen die Westbindung. Dertinger und Nuschke nutzten sogar alte Kontakte, um selbst in Kreisen der Exil-CDU für eine Neutralisierung Deutschlands nach sowjetischen Wünschen zu werben. Immer wieder machte Dertinger auf die gesamtdeutsche Bedeutung der CDU der DDR aufmerksam und verband diese mit dem Hinweis auf die im Falle der Wiedervereinigung geringe Bedeutung der SED. Insgesamt ohne Erfolg!

    Das Scheitern der sowjetischen Wiedervereinigungspolitik und die Verkündigung der Errichtung des Sozialismus in der DDR führten in direkter Folge zur endgültigen Unterordnung der CDU unter die kommunistische Alleinherrschaft, zur Verhaftung des CDU-Außenministers Dertinger und zu einer Reihe von CDU-Schauprozessen während des Winters 1952/53. Die CDU verlor ihr entscheidendes Betätigungsfeld und die Möglichkeit, in einer gesamtdeutschen Regierung für eine ostorientierte Politik zu wirken.

    Die sowjetrussische Besatzungsmacht schuf ferner mit der befohlenen Sowjetisierung der DDR ein politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches System, in dem die „bürgerlichen“ Parteien CDU und LDP mehr und mehr wie Fremdkörper wirkten. Die von der Besatzungsmacht geschaffenen Realitäten schlugen sich in den Programmen, den Arbeitsmöglichkeiten und in der Organisation von CDU und LDP nieder und trugen so zur Veränderung der Parteien bei. Ab 1948 wurde die CDU in eine prokommunistische zentralistische Kaderpartei umfunktioniert.

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    Der „Christliche Realismus“

    Die Möglichkeiten, gegen die Umwandlung der Gesellschaft zu protestieren, nahmen für die CDU schnell ab. Innerhalb der Partei wurden zudem die protestbereiten Mitglieder in einem Prozeß der „Selbstreinigung“ von prokommunistischen Funktionären ersetzt, die in immer stärkerem Maße behaupteten, die eigentliche CDU zu repräsentieren.

    Der Prozeß der Zentralisierung der CDU ließ eine Veränderung der Partei von oben nach unten eintreten. Das Generalsekretariat (unter Götting) war die Stabsstelle für die Umfunktionierung der Partei von innen. Mit der Zentralisierung der Ost-CDU verlagerte sich das eigentliche Geschehen an die Parteispitze und trat in Form von zahlreichen Direktiven in Erscheinung. Ab 1950 verschwanden die Eigenheiten der Landesverbände. Das Parteileben gestaltete sich einheitlich nach den Anweisungen Göttings. Die Landes- und ab 1952 die Bezirksverbände der CDU wurden zu Instrumenten der zentralistischen Kaderpartei. Die hier ebenfalls etablierten CDU-Sekretäre sorgten für die Umsetzung der Anweisungen und delegierten sie an die nachgeordneten Parteigremien. Von einem demokratischen Entscheidungsfluß von der Parteibasis an die Parteispitze konnte 1952 keine Rede mehr sein. Die der SED untergeordneten Organisation, die 1952 immer noch den Namen CDU trug, hatte mit allen Vorstellungen, die man von einer christlich-demokratischen Partei haben mag, nichts mehr zu tun.

    Nun gab die CDU ohne ernsthaften Widerstand das ursprüngliche Programm des „christlichen Sozialismus“ auf und öffnete sich dem „wissenschaftlichen Sozialismus“. Der 6. Parteitag im Oktober 1952 bestätigte diesen Kurs eines „christlichen Realismus“ und ließ die Ost-CDU als „eine einschränkungslos sozialistische Partei“ (Nuschke) erscheinen.

    In den 22 „Thesen des Christlichen Realismus“ bekannte sich die Ost-CDU „zur sozialistischen Erneuerung der Gesellschaft“ (1. Fassung, 1951) bzw. „zur sozialistischen Gesellschaft“ (2. Fassung, 1952). Unter Verweis auf die „beispielhafte Verwirklichung“ der von Karl Marx entwickelten „Lehre zum Aufbau einer neuen besseren Gesellschaftsordnung“ in der Sowjetunion wurde in diesem Zusammenhang betont, daß der Sozialismus den Christen heute „die beste Möglichkeit zur Verwirklichung der Forderungen Christi und zur Ausübung praktischen Christentums“ gebe. Daß die „Arbeiterklasse auf dem Wege zur Errichtung des Sozialismus die Führung hat“ war für die Ost-CDU ebensowenig strittig wie die Behauptung, daß „der planmäßige Aufbau des Sozialismus...in der weiteren Entwicklung in eine volksdemokratische Ordnung“ führt. Die Partei erkannte diese Entwicklung seit dem 6. Parteitag ausdrücklich „als geschichtlich notwendig und folgerichtig“ an.

    Diese Anpassung an die Ideologie der SED ging so weit, daß spätestens am Ende der 1950er Jahre von einer eigenständigen Parteiideologie kaum mehr die Rede sein konnte. Sie unterschied sich allenfalls darin, daß statt einer marxistischen eine pseudochristliche Begründung für die Politik der DDR und der CDU geliefert wurde, was allerdings bedeutete, daß man keine selbständige Politik mehr anstrebte, sondern stets bemüht war, der SED nicht ihre führende Rolle auch nur annähernd streitig zu machen.

    In der Ost-CDU wurde der Verzicht auf eine vom "christlichen Sozialismus" bestimmte Programmatik mit Gelassenheit hingenommen. Mitglieder, die den evangelischen Landeskirchen angehörten, sahen damit auch Schwierigkeiten vermieden, die von Theologie und Kirche her zu erwarten waren. Die Theologie Karl Barths, die auch in Mitteldeutschland die Bekennende Kirche stark geprägt hatte, lehnte Begriffe wie "christliche Staatslehre" oder "christliche Politik" ebenso entschieden ab wie eine "christliche Partei". Karl Barths Schüler und Freunde konnten in dem "Bündnis" der CDU mit der SED eine Fortsetzung des "Volksfront"-Zusammenschlusses in der Bewegung "Freies Deutschland" sehen, einer schweizerischen Prallelgründung zum NKFD, der sich ihr theologischer Lehrer 1943 verschrieben hatte.

    Von ganz anderen Voraussetzungen aus bejahten Vertreter des konservativen Luthertums den Weg der CDU. Hier wirkte die alte "Obrigkeitsvorstellung" des Römerbriefs nach. Bischof Mitzenheim, der 1964 auf der Wartburg mit Walter Ulbricht ein umfassendes Arrangement zwischen Staat und Kirche vereinbarte, war von Anfang bereit, auch den kommunistischen Klassenstaat der Arbeiter und Bauern als "Obrigkeit" anzuerkennen, der der Christ Gehorsam schuldig sei. Der Sohn des Bischofs, der Oberkirchenrat Hartmut Mitzenheim war der höchste Kirchenvertreter (stellvertretender Vorsitzender des Landeskirchenrates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Thüringen und Leiter ihrer Rechtsabteilung, Mitglied der Synoden des DDR-Kirchenbundes und der VELK), der für die Ost-CDU in der Volkskammer saß.

    Der eigentliche Grund für die Mitgliedschaft in der CDU war nun die Anerkennung der führenden Rolle der SED. Man trat in die CDU ein, um damit zu bekunden, daß eigentlich die SED die bessere Partei sei, der man aber nicht angehören könne, da man noch christlich gebunden sei. Eine angebliche Rückständigkeit, die sich in Begriffen wie „kleinbürgerlich“ oder „religiös gebunden“ ausdrückte, wurde zum eigentlichen Grund für die Mitgliedschaft in der CDU. 1955 bekannte sich die CDU der DDR erstmals selbst zu ihrem Selbstverständnis als einer „kleinbürgerlichen“ Partei. Und das, obwohl 1951 kaum 15% aller CDU-Mitglieder als „kleinbürgerlich“ bezeichnet werden konnten. Dagegen setzte sich die Partei durchschnittlich etwa zu 30% aus Arbeitern und Bauern und zu 25% aus Angestellten zusammen.

    Zu ihrer Absicherung als angebliche Partei der „Arbeiterklasse“ behielt sich die SED bis 1989 – um die Zahl der Arbeiter in der CDU zahlenmäßig zu begrenzen – die letzte Entscheidung über alle Aufnahmeanträge in die CDU vor. Bei den Arbeitern in der CDU handelte es sich um „religiös gebundene“ Personen. Arbeiter durften nicht geworben werden, die Betriebsgruppenarbeit der CDU blieb seit 1952 verboten.

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    Die gleichgeschaltete Blockpartei

    Der prokommunistische Gerald Götting, von 1949-66 Generalsekretär der CDU und 1966-89 ihr Vorsitzender, definierte auf der Meißener Arbeitstagung Oktober 1951: „Echte Christen sind Friedensfreunde.“ Daraus wurde gefolgert, daß sie im „Friedenslager“ der UdSSR stehen müssen, wie auch Christus „im Lager des Fortschritts“ gestanden habe („Neue Zeit“ Nr. 244/1951). Der 6. Parteitag (16.-18.10.1952 in Berlin) legte die CDU definitiv auf die Unterstützung des Aufbaus des Sozialismus und damit auf die jeweilige Linie der SED fest. Eine Orientierung, die erst 1989 in Frage gestellt wurde. Zugleich wurde die Organisationsstruktur an die der SED angeglichen. Allerdings durfte die CDU – wie die anderen Blockparteien – keine Parteigruppen in den Betrieben einrichten. Nuschke: „Wir sind eine einschränkungslos sozialistische Partei.“

    Nach Nuschkes Tod (27.12.1957) übernahm erst kommissarisch, dann auf dem 9. Parteitag der CDU im Oktober 1958 August Bach definitiv den Vorsitz. Die Partei folgte dem verschärften kirchenpolitischen Kurs der SED und forderte ihrerseits die Kirchen in Ost und West auf, den von der EKD – der die evangelischen Kirchen in der DDR angehörten – in der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Militärseelsorgevertrag rückgängig zu machen. Sie unterstützte fortan auch die verstärkten Bemühungen der SED-Regierung, die EKD zu spalten. Als Ulbricht am 9.02.1961 in seinem Amtssitz eine größere Anzahl evangelischer Theologen und kirchlicher Amtsträger unter Führung von Prof. Emil Fuchs empfing, rechnete sich die CDU diese Begegnung, die einen gewissen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Staat und Kirche darstellte, als ihr Verdienst an.

    Als eine ihrer wichtigsten Aufgaben nannte die CDU in den 1960er Jahren die Verwirklichung einer immer engeren Zusammenarbeit von Christen und Marxisten („Bündnispolitik“). Sie bezeichnete die DDR als die politische und geistige Heimat der Christen in Deutschland. Die CDU unterstützte wesentlich die forcierte Kollektivierung des Handwerks, die staatliche Beteiligung an den verbliebenen privaten Industriebetrieben in „Volkseigentum“ sowie den Abschluß von Kommissionsverträgen im privaten Einzelhandel. Daneben betrachtete sie es als ihre Aufgabe, die „parteilosen Christen“ zu gesellschaftspolitischer Mitarbeit zu gewinnen. Dazu dienten vornehmlich die in vielen Orten und Kreisen innerhalb der „Nationalen Front“ (NF) gebildeten Arbeitsgemeinschaften „Christliche Kreise“. Ebenso, wie sich die CDU-Führung bei der Niederschlagung des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 und bei der Errichtung der Berliner Mauer im August 1961 hinter die SED stellte, begrüßte sie die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die CSSR im August 1968 sowie die offizielle Haltung der DDR-Regierung zur Einführung des Kriegsrechts in Polen im Dezember 1981.

    Zu einer Modifikation ihres Kurses sah sich die Partei 1971 nach der Ablösung Ulbrichts durch Honecker gezwungen. Der von Ulbricht geschaffene und jahrelang von der CDU als politische Maxime erachtete Begriff der „sozialistischen Menschengemeinschaft“, in der Christen und Marxisten gemeinsam an der Verwirklichung des Sozialismus arbeiteten, wurde von Honecker zugunsten der Aussage, die DDR sei noch eine „Klassengesellschaft“, und der Rückbesinnung auf die Grundlagen des Marxismus-Leninismus fallengelassen. Die CDU legte fortan das Schwergewicht ihrer Aktivität auf außenpolitischen Fragen, die mit Problemen von „Frieden und Sicherheit in Europa“ zusammenhingen. Sie drängte zugleich die Kirchen, sich stärker im Sinne der von der UdSSR und der DDR verfolgten europäischen Politik zu engagieren.

    Auf dem 13. Parteitag im Oktober 1972 in Erfurt tauchte erstmals in einer Rede von SED-Politbüro-Mitglied Albert Norden der Begriff „sozialistische Staatsbürger christlichen Glaubens“ auf, der in der Folge in der Propaganda der CDU eine Vorrangstellung einnahm und den Christen die Möglichkeit einräumen sollte, sich als vollwertige Bürger des sozialistischen Staates unter Verzicht auf ein ausdrückliches Bekenntnis zur materialistisch-atheistischen Staatsideologie zu fühlen. Der Begriff verschwand jedoch 1974 wieder aus Publizistik und Agitation. An seine Stelle trat 1975 die bis 1989 gültig gebliebene Formel „Christenpflicht ist Bürgerpflicht“. Sie schien geeignet, auch die nicht der Partei angehörenden Christen auf eine Gefolgschaft gegenüber den von der CDU festgelegten politischen Zielen zu verpflichten und so die Basis der Partei zu verbreitern. Bekannte sich die CDU längst zur „sozialistischen Schule“ und suchte bei christlichen Eltern Bedenken gegen die marxistische Erziehung auszuräumen, so befürwortete sie auf ihrem Parteitag in Dresden im Oktober 1977 sogar die von den christlichen Kirchen nachdrücklich abgelehnte atheistische Jugendweihe.

    In zunehmendem Maß hatte die CDU den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf kulturelles Gebiet verlegt und ihre Außenbeziehungen mit befreundeten Parteien in den osteuropäischen sozialistischen Staaten ausgebaut. Kontakte wurden auch zu christlichen Gruppierungen in westeuropäischen Ländern sowie nach Afrika und Lateinamerika aufgenommen.

    Die SED schien jedoch der CDU als Mittler für das Gespräch mit den Kirchen kaum noch zu bedürfen. Das wurde deutlich, als Honecker am 6.03.1978 die Spitze des Evangelischen Kirchenbundes empfing, ohne daß Parteivertreter der CDU beteiligt waren. In enger, z.T. auch personaler Verbindung stand die CDU zur „Christlichen Friedenskonferenz“ (CFK) und zur „Berliner Konferenz europäischer Katholiken“ (BK). Über beide Organisationen pflegte sie zahlreiche internationale Verbindungen nach Ost und West. Enge Kontakte bestanden zur polnischen PAX-Bewegung und zur Tschechoslowakischen Volkspartei (CSL), ferner zu der mittlerweile vom Papst verbotenen Friedenspriesterbewegung in der CSSR „Pacem in terris“.

    Seit der verschärften Militarisierung der DDR und dem Erscheinen der Friedensbewegung sah sich die CDU mehr und mehr genötigt, der militärpolitischen Konzeption der DDR-Regierung rückhaltlos zuzustimmen. So stellte sich die Partei sowohl hinter die Kampagne zur Wehrerziehung als auch gegen die sich in der Nähe und in den Kirchen selbst zeigende Bewegung „Schwerter zu Pflugscharen“.

    Leitende Funktionäre der DDR-CDU vertraten die Auffassung, daß die Christen in der DDR gebraucht werden. Sie sahen es als ihre Aufgabe an, möglichst viele dieser Christen in die Partei zu führen. In diesem Staat, so die parteiamtliche Überzeugung, könne und müsse ein Christ mitarbeiten, da er in dieser Gesellschaft frei sei von Ausbeutung und Unterdrückung. Und die Parteileitung in Ost-Berlin sah ihre politische Tätigkeit (wenn man das so bezeichnen kann) in Übereinstimmung mit den Grundsätzen christlicher Ethik und den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Sie bezeichnete sogar den realen DDR-Sozialismus als den "Humanismus" dieser Epoche. Deshalb könne der Christ unbeschwert mitarbeiten bei der Schaffung der neuen, besseren Gesellschaft. Nach Ansicht der DDR-CDU diente die Politik in der DDR dem Wohl des Nächsten, dem Frieden, der Menschenwürde und der sozialen Gerechtigkeit.

    Ihrem offiziellen Selbstverständnis nach war die DDR-CDU heute eine sozialistische, nicht aber eine marxistisch-leninistische bzw. kommunistische Partei. Der Begriff "sozialistische Partei" wurde von ihr äußerßt sparsam benutzt. Meistens bezeichnete man die DDR-CDU als eine Partei "des" Sozialismus. Andererseits wurden Schreiben der DDR-CDU abgeschlossen mit der Formel "Mit sozialistischem Gruß!" So völlig deutlich war folglich das offizielle Selbstverständnis in Sachen "sozialistische Partei" nicht. Das war auch nicht verwunderlich, räumte die Partei doch ein, daß ihre Mitglieder eine "Weltanschauung" vertreten, die nicht auf der wissenschaftlichen Lehre des Marxismus-Leninismus basiert. Es wurde zugegeben, daß die Mitglieder - schließlich sind es Christen - eine "nichtwissenschaftliche Weltanschauung" haben, die nicht mit der herrschenden Lehre der führenden Partei übereinstimmt. Unausgesprochen hielt man Distanz zur "wissenschaftlichen" Erkenntnis der Welt, die die "Partei der Arbeiterklasse" vertritt.

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    Das Innenleben der Partei 1950-89

    Die Entscheidung, die CDU unter der Bedingung formal überleben zu lassen, daß sie in Werkzeug zur Verhinderung demokratischer Verhältnisse und damit der Einheit Deutschlands umgewandelt würde, hatten aber keine Politiker mehr getroffen und realisiert, die sich den Intentionen des Gründungsaufrufes verpflichtet sahen, sondern von den Sowjets gelenkte und von der SED kontrollierte prokommunistische Funktionäre, die von den Sowjets und der SED in der CDU aufgebaut worden waren, um die Partei von oben und innen zu paralysieren. Die CDU der DDR präsentierte sich von 1950 bis 1989 als prokommunistische zentralistische Kaderpartei.Mit der Zentralisierung der Partei verlagerte sich das eigentliche Geschehen an die Parteispitze und trat in Form von zahlreichen Direktiven in Erscheinung. Das Parteileben gestaltete sich eigentlich nach den Anweisungen von Gerald Götting, der kein CDU-Politiker im eigentlichen Sinne mehr war, sondern ein Vertreter der Besatzungsmacht in der Partei. Die Landes- und ab 1952 die Bezirksverbände der CDU wurden zu Instrumenten der zentralistischen Kaderpartei. Die hier etablierten CDU-Sekretäre sorgten für die Umsetzung der Anweisungen und delegierten sie an die nachgeordneten Parteigremien. Von einem demokratischen Entscheidungsfluß von der Parteibasis an die Parteispitze konnte ab 1952 keine Rede mehr sein. Dennoch waren die Möglichkeiten an der Parteibasis immer am größten und blieben am längsten erhalten, hatten andererseits aber die wenigsten Auswirkungen auf das politische Geschehen.

    Nach ihrer Satzung aus dem Jahre 1982 war die CDU „...eine politische Partei, in der sich christliche Bürger der DDR mit dem Ziel vereinen, aus christlicher Verantwortung und demokratischer Verpflichtung für das Wohl des Menschen, für das Glück des Volkes und für den Frieden in der Welt zu wirken. Die CDU ist eine Partei des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus...Die unverrückbaren Ausgangspunkte des politischen Denkens und Handelns der christlichen Demokraten sind – Treue zum Sozialismus, - vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Partei der Arbeiterklasse als der führenden Kraft der sozialistischen Gesellschaft und – Freundschaft zur Sowjetunion.“ Der Begriff „sozialistische Partei“ wurde aber von der DDR-CDU äußerst sparsam benutzt. Meistens bezeichnete man die CDU-DDR deshalb als Partei „des“ Sozialismus. Schließlich hatten die Mitglieder als Christen eine „Weltanschauung“, die nicht auf der „wissenschaftlichen“ Lehre des Marxismus-Leninismus basiert.

    Der spezifische Anteil der CDU an der gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR lag vor allem auf dem Gebiet der geistig-politischen Beeinflussung von Menschen christlichen Glaubens. Die Partei wollte das gemeinschaftliche und einvernehmliche Handeln von Christen und Marxisten entwickeln und befand sich damit in scharfer Konfrontation zu führenden Kirchenkreisen, deren Standortbestimmung „Kirche im Sozialismus“ sie umzudeuten versuchte in das Anpassungspostulat „Kirche für den Sozialismus“. Die beiden großen Kirchen nahmen schließlich die DDR-CDU zwar hin, jedoch akzeptierten diese sie nicht als Interessenvertreterin der Christen. Zu lange verfolgte die stark opportunistische CDU-Führung nur das eine Ziel, die Kirchen im Auftrag der SED zu bevormunden, zu lange spielte sich die Partei als Vermittlerin zwischen SED-bestimmtem Staat und Kirchenleitung auf, zu lange und zu oft erwies sich die CDU-Führung als verlängerter Arm der SED. In christlichen Kreisen erkannte man sehr genau, daß sich die DDR-CDU - im Gegensatz zu den Kirchen - nicht für "handhabbare" Regeln im Umgang Staat/Christen an der Basis einsetzte, nicht die Zustände in der "marxistisch-leninistischen Bekenntnisschule" beklagte, zur Militarisierung der DDR-Gesellschaft schwieg, Menschenrechtsverletzungen in der DDR nicht beim Namen nannte und das Thema Reise- und Ausreisefreiheit mied.

    Innerhalb der doppelten Verklammerung war immerhin noch eine gewisse Eigenständigkeit zu erreichen: Ausgewogenheit und selbständige Vorstellungen im Bereich der Kirchenpolitik seit 1954, in der Vermittlerrolle der CDU in der Jugendweihe-Frage, in der öffentlichen Zurückweisung der atheistischen Propaganda, in der Einforderung weltanschaulicher Rücksichten im kulturellen, vor allem im pädagogischen, schulpolitischen Umfeld, im Aufbau eines eigenen Verlagswesens, Buch- und Kunsthandel-Systems der CDU, in der Unterstützung christlicher bildender Künstler durch Aufträge, Ausstellungen usw., in der Förderung der Kirchenmusik u.a.m. Die große Zahl der Kulturschaffenden unter den Unionsfreunden ermöglichte der CDU eine Ausgestaltung ihrer Veranstaltungen mit musikalischen Darbietungen, wissenschaftlichen Vorträgen und Dichterlesungen. Religiöse Dichtung und Theologie entfalteten dabei eine erstaunliche Anziehungskraft. Geradezu Festivalcharakter trugen die Parteitage der Ost-CDU.

    "Freiräume" dieser Art waren auch die Feuilleton-Seiten der CDU-Tageszeitungen. Unterschieden sie sich im politischen Teil kaum von der SED-Presse, so boten hier der anspruchsvolle literarische Essay, die religiöse Betrachtung, Kurzgeschichte, Gedicht und Fortsetzungsroman auch ohne polemische Spitze gegen die SED-Linie ein offenkundiges "Kontrastprogramm". Vor allem das Zentralorgan der CDU "Neue Zeit" bestach durch Niveau und eine bis in den Lokalteil mit der Glosse "Moment mal" reichende spritzige Eigenständigkeit. Daß die Auflage von 80.000 Stück nicht ausreichte, die Nachfrage zu befriedigen - die Papierzuteilung gestattete keine Erhöhung der Auflage -, lag auch am "exklusiven" Anzeigenteil des Blattes: Hier fand man fast täglich einen ausführlichen "Automarkt", hier wurden Antiquitäten, Seegrundstücke und aufgelassene Bauernhöfe zum Kauf angeboten. Hier konnte auch ein DDR-Bürger unter Chiffre ein Darlehen über 5.000 Mark suchen: "Zinsen nach Vereinbarung".

    Jedenfalls ist für den Zeitraum ab 1958 bis Ende der 1980er-Jahre charakteristisch, daß das Eigene nur noch "subkutan" realisiert werden konnte.

    Die CDU konzentrierte ihre politische Tätigkeit vor allem auf bisher parteilich noch nicht gebundene Christen – Bauern, Handwerker und Gewerbetreibende, christliche Wissenschaftler und Künstler sowie andere mittelständische Kreise, die sie in die „Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft“ einbeziehen wollte. Mit Erfolg griff sie humanistische Traditionen christlicher Bewegungen und Persönlichkeiten auf und benutzte sie, um die historische und geistige Verwurzelung der sozialistischen Gesellschaft zu behaupten und zu befördern.

    Der überwiegende Teil der heterogenen Mitgliedschaft verstand die CDU zwar als Partei, die „nolens volens“ mit der SED zusammenarbeiten mußte, nicht aber als sozialistische und schon gar nicht als marxistische Partei. Viele Menschen waren der CDU beigetreten, weil sie nach einer für sie hinnehmbaren und „komfortablen“ Möglichkeit suchten, in einem sozialistischen Staat aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben teilzunehmen. Die DDR-CDU bot denjenigen Bürgern christlichen Glaubens eine politische Überlebenszone an, die in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat – ohne Kommunist werden zu wollen – eine mehr oder weniger bescheidene berufliche Karriere anstreben oder aber ihre Position absichern wollten. Christliche Bürger mit dem Parteidokument der DDR-CDU in der Tasche hatten es vielfach leichter. Das galt in erster Hinsicht für Angehörige qualifizierter Berufe, darunter auch für Lehrer. Als „Unionsfreunde“ waren sie vor „Nachstellungen“ der führenden SED sicher. Innerhalb der Zielgruppe konzentrierte sich die Partei auf die folgenden Ansprechpartner:

    1. auf Personen, die in den Kirchen ein (Ehren-)Amt bekleiden,
    2. auf Berufstätige im Gesundheits- und Sozialwesen und
    3. auf Personen aus der Wirtschaft, auf Handwerker und Kleingewerbler.
    Der 1972 verwirklichte Beschluß, die halbstaatlichen und überwiegend industriell arbeitenden privaten Handwerksbetriebe gegen eine Entschädigung in VEB überzuführen, stieß in CDU wie LDPD auf erhebliche Kritik.

    Nur etwa 100 von mehr als 4.000 evangelischen Pfarrern waren in der DDR-CDU organisiert.

    Unumstritten ist, daß die Blockparteien "unselbständige, von der SED abhängige Organisationen" und damit Stütze des SED-Regimes waren. Umstritten ist hingegen der Grad der Mitverantwortung sowie die Rolle der Funktionäre und Mitglieder. Die Minderheit der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages verwies darauf, daß zwar im Laufe der Zeit die Alibi-Funktion und die gesamtdeutsche Funktion an Bedeutung verloren, auch die Mobilisierungsfunktion der Blockparteien nicht den "erwünschten Erfolg" brachte, aber die "Einbindungs- und Disziplinierungsfunktion als dauerhafte und wichtige Aufgabe" geblieben sei. Die Blockparteien halfen durch eine umfängliche Kaderschulung, regimetreue Funktionäre zu erziehen. Das Handbuch der Deutschen Demokratischen Republik bezeichnet daher 1979 die Blockparteien als "wichtigen Bestandteil des politischen Systems" der DDR. Dafür wurden sie mit erheblichen materiellen Ressourcen ausgestattet, verfügten über rieisige Parteivermögen.
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    Die Blockparteien aus SED-Sicht

    Die DDR war von der Sowjetunion als Staat gegründet worden, der als Modell für ganz Deutschland gelten sollte, ein "antifaschistisch-demokratischer", aber eben (noch) kein explizit sozialistischer mit einer Verfassung, die von einem Mehrparteiensystem ausging und, nach Weimarer Vorbild, das Verhältniswahlrecht festschrieb, eben keinen Führungsanspruch der Marxisten-Leninisten kannte.

    Gerade um den Modell-Charakter nach außen vertreten zu können, war die Kooperationsbereitschaft der Blockparteien vonnöten und durch Konzessionen erleichtert worden: Die erste DDR-Regierung präsentierte sich als ein Allparteienkabinett, in dem die SED formal über keine Mehrheit verfügte und wichtige Ressorts, wie etwa das Außenministerium, den Blockparteien überlassen hatte.

    Die Gleichschaltung des Parteiensystems 1949/50 erreichte die SED durch drei Maßnahmen: die erweiterte Einbeziehung von NDPD, DBD und Massenorganisationen in den "Demokratischen Block", die Bildung der "Nstionalen Front" und vor allem die Entfernung und Verfolgung widerstrebender CDU- und LDP-Funktionäre.

    Zwar gelang es so der SED schon bald, entscheidende Weichenstellungen in Richtung Volksdemokratie vorzunehmen und gegenüber den osteuropäischen Staaten Anschluß zu halten, zugestimmt hatten aber stets nur die Führungen der Blockparteien. Eine Mehrheit der Mitglieder lehnte den Übergang zum Aufbau des Sozialismus ab. Die SED sorgte durch von ihr inszenierte "Säuberungsaktionen" für einen Austausch der Leitungskader, aber noch Jahre später (1954) hieß es im ZK-Bericht, die "Mehrheit der CDU-Mitglieder" sei "nicht von der Politik unserer Arbeiter- und Bauernmacht überzeugt", es gebe nur einen "geringen Kern positiver Kräfte", in "sehr vielen" Ortsgruppen dagegen liege die Initiative bei den "reaktionären Kräften".

    Anders als bei der SED konnte das MfS gegenüber den Blockparteien sein Instrumentarium voll einsetzen: Er durfte selbst die Spitzenpolitiker überwachen und gezielt IM werben und ansetzen. Zusammengenommen ergeben in den 1950er-Jahren die SED-internen Berichte zur Lage in CDU und LDPD das Bild von Parteien, die zwar den Staat mittrugen und sich loyal verhielten, deren Mitglieder aber weithin nicht staatskonform dachten. Ähnliches galt - nach dem SED-Urteil - auch für viele der führenden Funktionäre. Mit Erstaunen liest man in den Akten, wie kritisch SED und MfS selbst über Spitzenpolitiker von LDPD und Ost-CDU dachten. Nach leninistischem Verständnis blieben "Kleinbürger" schon allein aufgrund ihrer sozialen Herkunft in ihrer Haltung zum Sozialismus schwankend und neigten dazu, den jeweiligen politischen Konjunkturen zu folgen, mal die Nähe der Kommunisten suchend, mal sich entschieden von ihnen distanzierend. Unzuverlässige Verbündete also, denen die SED mißtrauisch gegenüberstand. Das um so mehr, als selbst die z.T.erzwungenen "Säuberungen" und die stete Agitation an der Basis wenig, falls überhaupt etwas bewirkt hatten. Diese Negativbillanz führte im ZK-Apparat zu Überlegungen, die Blockparteien allmählich aufzulösen.

    Nach dem Mauerbau ging die SED davon aus, daß sie mit der Vollendung des Sozialismus nicht mehr gebraucht würden, und forderte, die Mitgliederwerbung stark zu reduzieren. Die Altersstruktur in CDU wie LDPD verschlechterte sich dramatisch, das Ende dieser Parteien schien absehbar. Solange es sie noch gab, galt es, vor der Verabschiebung staatspolitisch wichtiger Dokumnente ihre Stellungnahme einzuholen. Ein Ritual, das Mitbestimmung suggerierte, sie aber faktisch kaum gewährte. Was die Blockparteien vor dem Inkraftsetzen des SED-Programms 1963 und der Verfassung 1968 an Veränderungswünschen einreichten, blieb zumeist unbeachtet.

    Das Mehrparteiensystem in der Verfassung zu verankern, erschien der SED nicht ratsam, da das ihren Führungsanspruch schmälern könnte. Das latente Mißtrauen war geblieben. Auch jetzt noch galten die Blockparteien als potentielle Konkurrenten deren Einfluß es genau zu kontrollieren galt.

    Aus den 1960er- und 1970er-Jahren gibt es nur wenig aus den Sachakten erschlossenes Material, das die Sicht des MfS auf die Blockparteien und ihre Mitglieder dokumentiert. Ein Hauptaugenmerk der Stasi galt offenbar den zunehmenden innerdeutschen Kontakten nach der Verabschiedung des Grundlagenvertrages, später insbesondere der Städtepartnerschaften, speziell der Frage, ob informelle Beziehungen zwischen Ortsgruppen der Blockparteien und Vertretern der ehemaligen westlichen Schwesterparteien geknüpft worden waren.

    Nach den MfS-Berichten aus den 1980er-Jahren wurde zwar viel und mit zunehmender Tendenz an den Mißständen im Lande und der Politik der Staatspartei Kritik geübt, der Führungsanspruch der SED aber wurde offenbar nicht mehr offen in Frage gestellt. Doch zeige sich deutlich die Tendenz der "Zunahme von Forderungen und Erwartungshaltungen" bei Funktionären wie Mitgliedern "sowohl gegenüber der Politik der eigenen Partei als auch gegenüber Erscheinungen und Wirkungen auf verschiedenen Teilbereichen des gesellschaftlichen Lebens (Wirtschaftspolitik, Subventions- und Investitionspolitik, Informationspolitik, Versorgung, Preisgestaltung, Kommunalfragen u.v.a.)".

    Die Kontrolle des MfS über die Blockparteien war eng und effektiv. Nach Einschätzung der Stasi verhielten sich die Blockparteimitglieder angepaßter, aber sie waren nicht zufriedener als die Bevölkerungsmehrheit der Parteilosen und neigten vermehrt dazu, ihre Kritik an den Verhältnissen im Staat indirekt zum Ausdruck zu bringen durch die Weigerung, weiterhin Ämter und Funktionen zu übernehmen. Was der Geheimdienst allerdings übersehen hatte, war, daß das staatskonforme Verhalten weithin nicht auf Überzeugung basierte, sondern taktisch motiviert war: Anpassungsverhalten. Bezeichnenderweise traten kaum Mitglieder der Ost-CDU aus, als sich ihre Partei 1990 mit der Bonner Schwesterpartei fusionierte.

    Nach marxistisch-leninistischer Lehre war das Bündnis der Arbeiterklasse und "ihrer Partei" mit den "anderen werktätigen Klassen und Schichten geschichtlich notwendig" zur Überwindung des Kapitalismus, zur Vorbereitung und Durchführung der "sozialistischen Revolution und zur Schaffung der klassenlosen Gesellschaft". Die von der SED zugeordneten Zielgruppen waren unter Anleitung der Kommunisten zu integrieren und zu mobilisieren. Nach der Lehre des Marxismus-Leninismus waren die Bauern der Hauptadressat der Bündnispolitik der SED. In der gesellschaftlichen Realität der DDR aber waren die eher als eine Schicht eingestuften Christen die begehrtesten Bündnispartner der SED. Allein aufgrund ihrer Größe stellte die Gruppe der evangelischen und katholischen Christen die größte nichtkommunistische Kraft, die es im real-sozialistischen Staat zu integrieren galt. Dazu bediente sich die SED der DDR-CDU.

    Die wichtigsten Aufgaben der vier Blockparteien lassen sich wie folgt zusammenfassen:
  • Transmissionsfunktion:Die Blockparteien hatten die politischen Hauptziele der führenden SED gegenüber ihren Zielgruppen zu vertreten, zu propagieren und durchzusetzen.
  • Mobilisierungsfunktion:Im Auftrage der SED sollten die Zielgruppen zu Mehrleistungen in der Volkswirtschaft veranlaßt werden - nach dem Motto: Jeder wird gebraucht!
  • Erziehungsfunktion:Die Blockparteien hatten ihre Mitglieder politisch-ideologisch zu beeinflussen und sie an den realen Sozialismus heranzuführen. Jedes Blockparteimitglied sollte ein vorbildlicher sozialistischer Staatsbürger sein.
  • Interessensvertretungsfunktion:Alle Blockparteien hatten die Interessen ihrer Zielgruppen der führenden SED zu melden, wobei freilich eine Vorfilterung erfolgte: Die Blockparteileitungen unterrichteten die SED nicht über alle Interessen ihrer Klientel, sondern nur über solche, die sich ihrer Ansicht nach in den weiteren Aufbau des entwickelten DDR-Sozialismus einbringen lassen.
  • Beratungs- und Korrektivfunktion:Auf Wunsch der SED unterrichteten die Blockparteien über fachliche Fragen, die in ihren Reihen behandelt wurden (z.B. über Verbesserungsvorschläge im Dienstleistungssektor); außerdem informierten die Blockparteien auf Anfrage der SED über Stimmungen und Wünsche ihrer Mitgliedschaft und über solche in ihnen nahestehenden Schichten. Die führende Partei konnte darauf reagieren und Veränderungen bewirken.
  • Alibi- und Karrierefunktion:Die Blockparteien ermöglichten es ihren Mitgliedern, politische Aktivitäten zu zeigen, ohne Kommunist werden zu müssen. Durch den Eintritt in eine Blockpartei ließ sich möglicherweise eine berufliche Laufbahn aufbauen und/oder absichern.
  • Legitimations- und innerdeutsche Funktion:Nach außen hin, auch zur Bundesrepublik, vor allem aber in Richtung westliches und neutrales Ausland konnte die Existenz der Blockparteien ein echtes Mehrparteiensystem vortäuschen; die Blockparteien wurden "vorgezeigt" und gaukelten eine gewisse Pluralität vor. Nicht zuletzt hätte man ihre "Westarbeit" sowohl im Rahmen der innerdeutschen Beziehungen als auch bei einer "Wiederentdeckung der deutschen Frage" durch die SED stärker aktivieren können.
  • Die Aufgaben der Blockparteien waren primär innenpolitisch. Sie hatten bestimmte Klassen/Schichten zu erreichen und an das politische System zu binden.

    Außenpolitische Aufgaben hatten diese Parteien im wesentlichen nur in Sachen Propaganda/Werbung für die DDR, eigene außenpolitische Ziele konnten die Blockparteien nicht artikulieren. Immerhin unterhielten alle vier Blockparteien auswärtige Kontakte zu befreundeten Parteien im Ostblock, in der neutralen Welt und im Westen. Doch waren derartige Parteibeziehungen, zumindest in Richtung Westen stark unterentwickelt.

    Für die Blockparteien war die Abteilung "Befreundete Parteien" beim ZK der SED zuständig, ohne die keine wichtige Personal- oder Sachentscheidung getroffen werden durfte. Dasselbe galt für die Bezirks- und Kreisebene, wo die SED-Leitungen gleichfalls zuständig waren. Über die Zuweisung von Funktionen und Positionen in Regierung und Verwaltung auf zentraler wie regionaler Ebene bestimmte ebenfalls die SED. Da auch in den Blockparteien der "demokratische Zentralismus" eingeführt worden war - also die Befehlsstränge von oben nach unten liefen-, bestand überall ein engmaschiges Netz der Kontrolle, das kaum zu durchbrechen war.

    Mit welchen Methoden die SED die Massenorganisationen - und grundsätzlich auch die Blockparteien - anleitete, wurde früher in der DDR so beschrieben:

  • über "die Ausarbeitung der politischen Generallinie"
  • durch "die Auswahl, den Einsatz und die Erziehung von Kadern der Partei in den Organisationen",
  • durch "das Wirken von Parteiorganisationen bzw. Arbeitsgruppen sowie der Parteimitglieder" in den Massenorganisationen,
  • gemeinsame Beschlüsse von Partei, Staat und Organisationen "auf zentraler und örtlicher Ebene" und schließlich
  • durch "spezielle Beschlüsse, Direktiven".
  • Die Situation der Blockparteien wird u.a. durch die Einschränkung ihrer politischen Wirkungsmöglichkeiten (z.B. Verbot der betrieblichen Organisation, der Organisierung der Mitglieder etwa in der NVA, in Hochschulen usw., von eigenen Unter- bzw. Nebengliederungen wie Jugend- oder Frauenorganisation) und das Verbot der öffentlichen Mitgliederwerbung charakterisiert.

    Von den Massenorganisationen wie den Blockparteien wurde die "führende Rolle" der SED oder deren Politik nie kritisiert oder gar abgelehnt. Alle ihre Abgeordneten trugen in der Volkskammer bis 1989 jedes Gesetz und sämtliche Verantwortung mit. Sie waren Stützen des SED-Regimes und tragen dafür Verantwortung.

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    Die Beteiligung an der Macht

    Um den Preis der bedingungslosen Unterordnung hatte die CDU in der DDR einen gewissen Anteil an der Staatsmacht, zumindest an deren Ausübung. Sowohl in der Exekutive als auch in den Legislativorganen war sie vertreten.

    1989 saß ein CDU-Minister, und zwar Rudolph Schulze, der Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates und zugleich Minister für das Post- und Fernmeldewesen war. Ferner wurden der CDU zwei Ministerstellvertreter zugebilligt, nämlich Harald Naumann (Handel und Versorgung) und Klaus Wolf (Verkehrswesen), sowie ein Stellvertretender Staatssekretär, Hermann Kalb (Kirchenfragen), schließlich bis 1986 auch das Amt des Präsidenten des Obersten Gerichts der DDR, das von Dr. Heinrich Toeplitz ausgeübt wurde.

    Im Staatsrat der DDR nahm die CDU 2 von insgesamt 23 Positionen ein: Der Parteivorsitzende Gerald Götting war einer der 4 Stellvertreter des Staatsratsvorsitzenden, und das Mitglied des Parteipräsidiums, Friedrich Kind, gehörte dem Staatsrat als ordentliches Mitglied an.

    Die CDU war in der Volkskammer mit 52 Abgeordneten (10,4%) vertreten. Ferner waren unter den Abgeordneten der FDJ-Fraktion und unter denen der DFD-Fraktion jeweils ein CDU-Mitglied. Der CDU-Vorsitzende, Gerald Götting, war 1969-76 Präsident der Volkskammer. Die Volkskammerfraktion wurde durch hohe Funktionäre geführt, die hauptamtlich als stellvertretende Parteivorsitzende oder als „Sekretäre“ des Parteivorstandes agierten. Fraktionssitzungen fanden in der Regel kurz vor den seltenen Plenartagungen statt, zumeist am Vortage. Die Abgeordneten wurden in diesen Sitzungen mit „Hintergrundinformationen“ versehen und auf ihr Abstimmungsverhalten vorbereitet. Die Abstimmungen fielen immer einstimmig aus (nur einmal, bei der Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs am 9.03.1972, gab es 14 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen aus der CDU-Fraktion). In den Bezirkstagen stellte die CDU 10%, in den Kreistagen 7,1% und in den Gemeindevertretungen 5,9% der Abgeordneten. Im Vergleich mit den übrigen nichtkommunistischen Blockparteien war die CDU somit am zweitstärksten vertreten.

    Mit im Jahre 1989 rund 140.000 Mitgliedern war die Ost-CDU die mitgliedstärkste Blockpartei. Ca. 37.000 von ihnen waren als „Mandatsträger“ im gesellschaftlichen Leben, 21.000 in Funktionen der Nationalen Front der DDR und 1.500 in Leitungsfunktionen in Staat und Wirtschaft tätig. Die Mitgliedschaft in der DDR-CDU konnte durchaus beruflich von Vorteil sein, war es aber nicht durchgängig und überall. Angehörige der Blockparteien waren immer (nur) die ersten Anwärter auf Stellvertreterämter. Im Laufe der DDR-Geschichte reduzierte die SED die ursprünglich Blockparteileuten überlassenen Leitungsfunktionen. So gab es 1988 noch rund 4.500 Lehrer und Erzieher, die der DDR-CDU angehörten (1955: 5.500). Davon fungierten nur ganze 16 als Direktoren, so daß das CDU-Parteibuch faktisch den Garantieschein dafür bot, nicht Direktor werden zu können.

    Bis zuletzt schanzte die SED der DDR-CDU etwa 50% der Leitungspositionen im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens sowie der kulturellen Institutionen zu, die den Blockparteien vorbehalten wurden. Damit wollte die führende Partei ganz gezielt evangelische Arbeitsethik abrufen und eingebaut wissen in das politische System bzw. in den Bereich, wo sich diese Tugenden auch im realen DDR-Sozialismus auszahlten.

    Im Gegensatz zur SED gab es in den 1980er Jahren in der DDR keine aktiven Offiziere der Nationalen Volksarmee, der Grenztruppen der DDR, der Deutschen Volkspolizei oder des Ministeriums für Staatssicherheit, die Mitglieder einer Blockpartei waren. Da so alle Blockparteimitglieder aus verantwortlichen Positionen im Schutz- und Sicherheitsbereich herausgehalten wurden, gerieten sie nie in die Versuchung, Entscheidungsträger von Handlungen werden zu müssen, die der direkten Unterdrückung demokratischer Ideen galten. In den Nischen der Blockparteien konnte man frei bleiben von größerer Schuld und Verantwortung, - wirkliche Machten übten nur die SED-Oberen aus.

    Die Mehrheit der DDR-CDU-Mitglieder einschließlich der kleinen und mittleren Funktionäre hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Die Menschen „machten mit“, aber nicht an verantwortlicher Stelle, sie stabilisierten das politische System, aber nicht in seinen Grundfesten. Und es waren durchaus politische Überzeugungen vorhanden, die zu DDR-Zeiten gleichsam stillgelegt worden waren, und die dann mit der Wende in der DDR 1989 hervorbrachen.

    Die meisten Blockparteiler waren nicht die „Blockflöten“, die sich nur fremdem Willen beugten oder sogar freiwillig folgten. Die Arroganz der Macht seitens der SED hatte viele Blockparteiler gegen das System aufgebracht, bei grundsätzlicher Treue zu den Grundlagen eines (reformierten) Sozialismus. Spätestens seit Mitte der 1980er Jahre sind erste Lockerungsübungen feststellbar, sich dem absoluten Führungsanspruch der SED zu entziehen. Selbst Funktionäre aus den Führungszirkeln der Blockparteien strebten nach einem größeren Einfluß für ihre Organisationen. Innerhalb des politischen Systems des realen DDR-Sozialismus wollten sie mehr Mitverantwortung und Mitsprache. Mit der Wende im Herbst 1989 brach es dann förmlich aus den vier Blockparteien hervor. Die Basis und viele kleinere und mittlere Funktionäre kritisierten ihre Führung und den Führungsanspruch der Marxisten-Leninisten, verlangten (mehr) innerparteiliche Diskussion, wandten sich mit Eingaben, Beschwerden und Vorschlägen an Ostberliner Dienststellen und an die Presse der Blockparteien, die sich jetzt zunehmend öffnete.

    Mit dem Austritt aus dem „Demokratischen Block“ Anfang Dezember 1989 (die CDU am 4. Dezember) hatten sich alle vier Parteien endgültig emanzipiert und aus dem alten politischen System der DDR verabschiedet.

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    Die Hochschulgruppen der CDU

    Die Studenten der bürgerlichen Bildungselite in der SBZ engagierten sich in den LDPD- und CDU-Hochschulgruppen. Bis hinein in die Jahre 1949/50 sind diese geistige und politische Oppositions- und Widerstandszentren im akademischen Bereich gewesen. An den Hochschulen und Universitäten der SBZ kam es zu politischen Konflikten, die fast immer um und über die studentischen Vertretungen ausgetragen wurden. Bei den Studentenratswahlen konnten damals bürgerliche Mehrheiten zwischen 50 und 70 % erzielt werden. Die Kommunisten versuchten, sich über die Einheitsorganisation „Freie Deutsche Jugend (FDJ)” und die Manipulation von Wahlergebnissen Mehrheiten zu sichern. Bis 1948 konnten sich die demokratischen Studentengruppen an allen sechs Universitäten der SBZ noch halten. Ihre Spielräume schmolzen jedoch durch Verhaftungen von mindestens 400 bis 500 Studenten, die von Militärgerichten zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt wurden oder gar ums Leben kamen. Mit den Verhaftungen wurden auch die Hochschulgruppen der CDU und der LDPD verboten. Die Verhaftungen der beiden Angehörigen der CDU-Hochschulgruppe in Berlin, Georg Wrazidlo und Manfred Klein, leiteten die Auseinandersetzungen in der Humboldt-Universität ein, die schließlich zur Gründung der „Freien Universität (FU)” in Berlin (West) führten. Auch Hochschullehrer erhoben Widerspruch gegen die schrittweise Einengung der akademischen Freiheiten. Sie konnten sich bei ihrem Protest überdies auf Gesetz und Hochschulordnungen stützen, aber auch dieser Widerspruch wurde brutal unterdrückt. Professoren wurden verhaftet und verschwanden plötzlich, ohne je wieder aufzutauchen, wie der Rektor der Greifswalder Universität, Ernst Lohmeyer.

    Besonders „gefährliche” Gegner des SED-Regimes verschwanden in Richtung Sibirien, wie z. B. 33 Angehörige der jungliberalen Opposition um den Leipziger ASTA-Vorsitzenden Wolfgang Natonek sowie den LDP-Hochschulreferenten und Mitglied des LDP-Landesvorstandes Mecklenburg-Vorpommern Arno Esch. Sieben von ihnen, darunter Arno Esch, wurden 1949 zum Tode verurteilt und 1951 erschossen, die anderen verurteilten die Sowjets zu je 25 Jahren Zwangsarbeitslager. Nicht selten wurden auch Widerstandskämpfer gegen die NS-Diktatur politisch verfolgt.

    Zeitliche Höhepunkte des Widerstands waren die Jahre 1948 bis 1952 – allein von Juli bis Nov. 1952 wurden 1065 Studenten aus politischen Gründen exmatrikuliert – und 1956/57. Die Zahl der in der SBZ/DDR von 1945 bis 1962 verhafteten und verurteilten Hochschulangehörigen wurde 1962 vom VDS mit knapp 1.100 angegeben (darunter 14 Todesurteile). Die tatsächliche Gesamtzahl liegt weit höher.

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    Opponenten in der CDU

    An der Parteibasis hielten sich bis zum Ende der DDR Formen von latenter Opposition, politischem Eigensinn und kritischer Verweigerung, die insbesondere an neuralgischen Punkten der DDR-Geschichte wie beim Juni-Aufstand 1953, beim Mauerbau 1961, beim sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei oder bei der Solidarnosc-Krise in Polen 1980/81 zum Ausdruck kamen. Die SED begegnete der „befreundeten Partei“ trotz deren äußerer Angepaßtheit über die Jahrzehnte hinweg mit unverhohlenem Mißtrauen und bezweifelte ihre ideologische Zuverlässigkeit, wie die Stasi-Berichte beweisen.

    Hauptsächlich waren es vier Bereiche, in denen sich das Resistenzpotential der Basis manifestierte. Die Kritik richtete sich gegen den Führungsanspruch und die faktische Dominanz der SED in Staat und Gesellschaft, gegen die Unterwerfungsbereitschaft der eigenen Parteileitung, gegen den von der SED propagierten marxistischen Atheismus, den man als unvereinbar mit christlich-demokratischen Überzeugungen ansah, und schließlich gegen die wirtschaftlichen Mißstände und den allgemeinen Mangel in der DDR.

    Als ab Mitte der 1980er Jahre vor dem Hintergrund der Reformbewegungen in Polen, Ungarn und in der UdSSR der Druck der Blockparteimitglieder auf ihre Leitungen wuchs, waren es in der CDU nicht von ungefähr Mitglieder von der Parteibasis (Martina Huhn, Martin Kirchner, Christine Lieberknecht und Gottfried Müller), allesamt aus dem Raum der Kirche, die am 10. September 1989 in dem „Brief aus Weimar“ Reformen in Staat und Gesellschaft, insbesondere die Aufhebung der Reisebeschränkungen forderten. In 30 Punkten wurde zunächst die Krise der DDR, die sich in der Ausreisebewegung und der Überforderung der Kirche durch ihre politische "Stellvertreterrolle" zeigte, beschrieben: Die CDU wäre dadurch "herausgefordert, ihre gesellschaftliche Mitverantwortung an höheren Maßstäben zu messen". Die "innerparteiliche Demokratie" solle sich nicht am "demokratischen Sozialismus" orientieren, die Meinungen der Mitglieder sollten "authentisch zum Ausdruck" kommen. Im Demokratischen Block solle sich die CDU mehr profilieren, mehr Minister in der Regierung und in den Regionen mehr Einfluß fordern. Auf gesellschaftlicher Ebene solle mehr "Offenheit", Unabhängigkeit der CDU-Presse, Nachprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen, die Respektierung der "Mündigkeit des Bürgers", völlige Reisefreiheit und Rückreiserecht von Ausgewanderten sowie eine "realistische Sicht ökonomischer Fakten" befördert werden.

    Mit diesem Dokument im Vorfeld der friedlichen Revolution war die Basis der CDU nicht unerheblich an den säkularen Umbruchprozessen beteiligt, die schließlich zum Ende der DDR führten.

    Die Forderungen des Weimarer Briefes blieben zwar hinter denen der Opposition zurück, weil sie das politische System eher dynamisieren als verändern wollten, bedeuteten aber in der Situation im September geradezu eine Provokation der erstarrten Partei. Der Brief wurde in der CDU heftig diskutiert und die gleichgeschaltete CDU-Propaganda reagierte abwehrend. Die Reformgruppe konnte einflußreiche Positionen einnehmen und hatte die Partei insgesamt gegen die alte Führung rebellisch gemacht. Am 10. Oktober verlangte die Betriebsleitung und die Gewerkschaftsgruppe der CDU-Druckerei Union eine "objektive, realistische, kritische und umfassende Berichterstattung". Aus der Partei heraus kam es zu zahlreichen Protesten gegen die eigenen Spitzenfunktionäre und gegen den Führungsanspruch der SED. Mancherorts versuchte die CDU auch, sich bei Demonstrationen mit Rednern zu profilieren. Kaum zu überwinden war das Mißtrauen der Oppositionellen gegen die sich zögernd wandelnde CDU, die jedoch im Zuge der Differenzierung der Opposition auch für eine größere Anzahl Oppositioneller schließlich eine politische Heimat wurde.

    Die Wahl Lothar de Maizieres zum Parteivorsitzenden am 10.11.1989 setzte dann ein deutliches Signal für einen nun die gesamte Partei erfassenden Umwandlungsprozeß. Am 4. Dezember kündigte die CDU ihre Mitgliedschaft im „Demokratischen Block“ auf. Auf einem Sonderparteitag am 15./16.12.1989 beschloß die Ost-CDU dann einen grundlegenden politischen Kurswechsel: Die ehemalige Blockpartei definierte sich nun als „Volkspartei mit christlichem Profil“, sprach sich gegen „sozialistische Experimente“ aus und trat für eine Marktwirtschaft sozialer und ökologischer Prägung ein. Der Sonderparteitag endete mit dem Bekenntnis zur deutschen Einheit in einem geeinten Europa. Mit der Distanzierung vom DDR-Sozialismus und dem Bekenntnis zur „Sozialen Marktwirtschaft“ sowie ihrem Schuldbekenntnis war die CDU die erste der einstigen Blockparteien, die den Neuanfang suchte und praktizierte. Als erster Chef einer ehemaligen Blockpartei erklärte Lothar de Maiziere, daß seine Partei zu einer Koalition mit der SED-PDS unter gar keinen Umständen bereit sei.

    Seit diesem Sonderparteitag war die DDR-CDU eine qualitativ neue Partei, zumindest in ihrer Führung. Nahezu alle Altkader waren in der Versenkung verschwunden oder auf zweit- und drittrangige Positionen abgeschoben worden. Seit Dezember 1989 setzten sich auch immer stärker diejenigen durch, die die schnelle Vereinigung Deutschlands und der West-CDU befürworteten. Anhänger eines „Christlichen Sozialismus“ befanden sich nunmehr in Außenseiterpositionen und verließen nach und nach die Partei.

    Die CDU schaffte ihre der SED nachempfundenen „Sekretariate“ ab, errichtete an ihrer Stelle „Abteilungen“ und „Arbeitsgemeinschaften“, verkleinerte ihren hauptamtlichen Apparat, bildete alsbald statt der Bezirksverbände ab Anfang 1990 Landesverbände und etablierte eine eigene Jugendorganisation, die CDJ.

    Anfang 1990 setzten sich in der West-Union diejenigen Kräfte endgültig durch, die mit der gewendeten Ex-Blockpartei ins Geschäft kommen wollten – nicht zuletzt deshalb, weil es keine anderen starken Partner gab. Allerdings benötigte Bundeskanzler Kohl keinen eigenständigen Partner mit selbständiger DDR-Programmatik, sondern Verfechter seiner Deutschlandpolitik. Sein Ziel war die Vereinigung der CDU und Deutschlands zu den Bedingungen des Westens.

    Die CDU trat am 25.01.1990 aus der Regierung Modrow aus. Sie begann nun, mit massiver Hilfe des Westens, den Wahlkampf. Am 5.02.1990 schloß sie unter dem Motto „Allianz für Deutschland“ ein Wahlbündnis mit dem „Demokratischen Aufbruch“ (DA) und der „Deutschen Sozialen Union“ (DSU), das bei den ersten freien Wahlen zur Volkskammer am 18.03.1990 fast die absolute Mehrheit erreichte (CDU 40,8%, Allianz 48,15%). Schon das kurz vor der Wahl verabschiedete Parteiprogramm, in dem eine „von der Basis aus grundlegend gewandelte“ CDU sich auf „ihren Ursprung“ besann und als „Union der Mitte“ einen Neuanfang ankündigte, ließ deutliche Tendenzen der Annäherung an die Schwesterpartei in der Bundesrepublik Deutschland erkennen.

    Am 28.05.1990 empfahl der Parteivorstand der Ost-CDU die Bildung gemeinsamer Kommissionen mit der West-CDU, die Zusammenarbeit der CDU-nahen Vereinigungen und die wechselseitige Teilnahme von Vertretern an den Sitzungen der Leitungsgremien. Die Vereinigungsverhandlungen besorgten im wesentlichen die Spitzen beider Parteien – der Generalsekretär Volker Rühe und der Bundesgeschäftsführer Peter Radunski auf der einen Seite, Horst Korbella, geschäftsführender Vorsitzender der CDU auf der anderen Seite.

    Im Juni 1990 hatte der Parteivorstand der DBD den Beitritt zur CDU beschlossen und seinen Mitgliedern empfohlen; im August faßte ein Sonderparteitag des „Demokratischen Aufbruchs“ einen entsprechenden Beschluß.

    Die neugebildeten fünf Landesverbände der CDU der DDR traten schließlich auf einem gemeinsamen Parteitag in Hamburg am 1.10.1990 ihrer bundesrepublikanischen Schwesterpartei bei (Der Berliner CDU-Landesverband hatte sich bereits am 8. September vereinigt.). Es vereinigte sich also nicht die DDR-CDU als Gesamtverband mit der Bundes-CDU.

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    Die Exil-CDU

    In der Absicht, ihre Ziele im Gesamtverband der CDU gesichert vertreten zu können, beschlossen die in den Westen geflohenen Mitglieder des Hauptvorstandes der SBZ-CDU (von den 14 gewählten Angehörigen dieses Gremiums waren 10 im Exil), sich in der Bundesrepublik neu zu formieren, um in Anlehnung an die im Grundgesetz verankerte Verantwortung der Deutschen in der Bundesrepublik für die Deutschen in der DDR die Interessen der CDU-Mitglieder in der DDR „treuhänderisch“ zu vertreten. Der konstituierende 1. Parteitag der Exil-CDU fand am 24. und 25. September 1950 in Berlin statt. An ihm nahmen etwa 200 ehemalige Delegierte des 2. Parteitages von 1947 teil. Unter ihnen waren 11 Mitglieder des Zonenvorstandes, 2 Minister, 21 Mitglieder der Landesvorstände, 37 Kreisvorsitzende, 6 Fraktionsführer, 19 Landtagsabgeordnete, 26 Landräte und Bürgermeister sowie 36 Kreistagsabgeordnete. Die Versammlung wählte einen Hauptvorstand und Landessprecher für die 5 Landesverbände. Im Hauptvorstand der Exil-CDU saßen 60% des auf dem 2. Parteitag der CDU der SBZ und Berlins im Jahre 1947 gewählten Hauptvorstandes. Die Exil-CDU der SBZ wurde von der Bundes-CDU als allein rechtmäßige Vertretung der christlichen Demokraten in der DDR anerkannt und nach Paragraph 2 des Statuts einem Landesverband gleichgestellt. Ihre Aufgabe sei, die echte, zum Schweigen gezwungene CDU der Sowjetzone politisch zu repräsentieren und ihren politischen Willen wiederzugeben und zu vertreten.

    Das zur Unterstützung und als Anlaufstelle für geflüchtete CDU-Mitglieder gegründete Ostbüro der CDU arbeitete wie ein Generalsekretariat der Exil-CDU. Es war die wichtigste Anlaufstelle für die Vertreter der CDU-Gruppen in der DDR. Kaiser und sein Büro wurden auch dann noch von zahlreichen Gruppen als d e r Parteivorstand angesehen, als diese, durch die Herausbildung totalitärer Strukturen in die Illegalität abgedrängt, zu veränderten Formen der Parteiarbeit greifen mussten. Diese nun illegal arbeitenden Gruppen repräsentierten die Parteibasis der CDU in der SBZ Jakob Kaisers. Dem Ostbüro der CDU fiel damit die Aufgabe zu, diese Gruppen anzuleiten, zu beraten und im Westen zu vertreten. Die Arbeit des Ostbüros war keine von außen angebotene Hilfeleistung, sondern bestand in der Selbstorganisation der CDU-Gruppen. Mit den Mitarbeitern des Ostbüros berieten diese Gruppen die Arbeit der Partei in der DDR unter den Bedingungen der Illegalität. Angesichts des zunehmenden Spitzelsystems sahen die CDU-Gruppen sich mehr und mehr veranlaßt, zu konspirativen Formen der Parteiarbeit überzugehen. Die illegalen Widerstandsgruppen der CDU, die sich über das ganze Territorium der DDR verstreut bildeten, stellten Flugblätter her, verteilten Materialien, die sie über das Ostbüro der CDU bezogen, schrieben Warn- und Drohbriefe, beschrifteten Mauern, rissen SED-Plakate herunter, klebten Zettel, betrieben Geheimsender, hörten gemeinsam westliche Radiosendungen, führten Versammlungen durch und belieferten das Ostbüro der CDU mit Berichten.

    In der DDR wurden CDU-Mitglieder, die Kontakte mit dem Ostbüro hatten oder denen man solche unterstellen konnte, brutal verfolgt. Ausdrücklich wegen des Vorwurfs der Verbindungsaufnahme zum Ostbüro wurden bis Mitte der 1950er Jahre fast 70 Personen verhaftet, die in der Regel in Schauprozessen abgeurteilt worden. Prominentester CDU-Politiker, der wegen solcher Kontakte verhaftet und verurteilt wurde, war der DDR-Außenminister Georg Dertinger. Im Zuge dieser Aktion wurde die gesamte Parteizentrale der CDU von etwa 100 Mitarbeitern des MGB und des MfS besetzt und vollständig durchsucht. Dies führte in der CDU zu einer panikartigen Stimmung, die zur Flucht zahlreicher weiterer leitender CDU-Funktionäre führte. Das Ostbüro wurde nach dem Tode seines Leiters Werner Jöhren im Februar 1959 formell aufgelöst.

    Trotz des Übergangs zu passiven Formen des Widerstandes blieb es das Ziel der Exil-CDU, einen Personenkreis in der CDU zu erhalten und auch weiterhin zu rekrutieren, der am „Tag X“ der Wiedervereinigung die Ideen der CDU verkörpern sollte. Das Beispiel Hugo Hickmanns zeigt (er wurde 1950 desillusioniert Vorstandsmitglied der Exil-CDU), daß es der Exil-CDU gelang, dafür auch führende Politiker zu gewinnen. Über den Personenkreis der Verbindungsleute wurde eine Kartei angelegt, und man versuchte trotz zunehmender Schwierigkeiten in Kontakt mit ihnen zu bleiben. In Erwartung einer baldigen Wiedervereinigung hatte man sich in der Exil-CDU bemüht, die alte CDU-Organisation in der DDR so vollständig wie möglich zu erhalten. In allen Landes- und Kreisverbänden der CDU in der DDR saßen Vertrauenspersonen.

    Die West-CDU hielt sich strikt auf Distanz zur früheren östlichen Schwesterpartei und vermied jeden offiziellen Kontakt - eine Politik, die dem Abgrenzungsinteresse der SED entgegenkam. Dennoch war der Einfluß der Bonner Union auf die Mitgliederschaft der Ost-CDU erheblich. Die Wahlsiege in der Bundesrepublik hoben das Selbstbewußtsein auch der Christdemokraten im Osten und verstärkten Tendenzen, die CDU Adenauers nach wie vor als Schwesterpartei zu betrachten. Solche Identifikation wurde erleichtert durch die weit größeren ökonomischen Erfolge im Westen. Christlich-demokratische Wirtschaftspolitik, so eine offenbar weit verbreitete Überzeugung, habe sich dem planwirtschaftlichen Konzept der SED weit überlegen erwiesen, die Einheitspartei reklamiere auch in dieser Hinsicht ihre Führungsrolle zu Unrecht.

    Interne CDU-Berichte, wonach auch noch 1957 der Wahlsieg Adenauers in Ortsgruppen der Ost-CDU wie ein eigener Erfolg gefeiert worden war, zeigten der SED-Führung, wie wenig die politische "Erziehung" der Mitglieder gelungen, wie begrenzt die Wirkung bisheriger Transformationsversuche geblieben war.

    Nach den Erkenntnissen der ZK-Funktionäre waren es fast ausschließlich die hauptamtlichen Parteimitarbeiter, die Staatsfunktionäre und die leitenden Angestellten in den VEB, also jene in den systemnahen Berufen, die tatsächlich von den Vorzügen des DDR-Sozialismus überzeugt wurden. Die Mehrheit der Parteimitglieder war aber gern bereit, ihn gegen eine wirtschaftliche und politische Ordnung westlichen Typs zu tauschen.

    Siegfried Dübel, letzter Vorsitzender der Exil-CDU, meinte vor der Wende im Frühjahr 1989, daß die Mitglieder der DDR-CDU zu über "90% genauso gute oder schlechte Demokraten wie die CDU-Mitglieder in der Bundesrepublik" waren. Daher nahmen die Exil-CDU und Teile der Westberliner CDU noch im Jahre 1989 offizielle Kontakte zur Ost-CDU auf.

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    Wahlen


     
    Sept. 1946
    KW Brandenburg
    9,4%
    2.245 Sitze
    Sept. 1946
    KW Mecklenburg
    5,7%
    1.360 Sitze
    Sept. 1946
    KW Sachsen
    12,2%
    3.647 Sitze
    Sept. 1946
    KW Sachsen-Anhalt
    7,6%
    2.316 Sitze
    Sept. 1946
    KW Thüringen
    12,3%
    2.957 Sitze
    20.10.1946
    Brandenburg
    442.634
    30,6%
    31 Sitze
    20.10.1946
    Mecklenburg-Vorpommern
    379.829
    34,1%
    31 Sitze
    20.10.1946
    Sachsen
    766.859
    23,3%
    28 Sitze
    20.10.1946
    Sachsen-Anhalt
    507.765
    21,8%
    24 Sitze
    20.10.1946
    Thüringen
    314.742
    18,9%
    19 Sitze
    18.03.1990
    Volkskammer
    40,91%
    164 Sitze
    06.05.1990
    KW
    34,37%
    1990
    Berlin(Ost)
    17,7%
    1990
    Brandenburg
    29,4%
    27 Sitze
    1990
    Mecklenburg-Vorpommmern
    38,3%
    29 Sitze
    1990
    Sachsen
    53,8%
    92 Sitze
    1990
    Sachsen-Anhalt
    39,0%
    48 Sitze
    1990
    Thüringen
    45,4%
    44 Sitze
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    Funktionsträger

    Parteivorsitzende: Andreas Hermes (1945); Jakob Kaiser (1946-47); Otto Nuschke (1948-1957); August Bach (1958-1966); Gerald Götting (1966-1989); Wolfgang Heyl (1989 amtierend); Lothar de Maiziere (1989-1990).

    Stellvertretende Parteivorsitzende: Georg Dertinger (1952-1953); Gerald Götting (1948-1949); Karl Grobel (1948-1953); Leo Herwegen (1946-1947); Wolfgang Heyl (1971-1989); Hugo Hickmann (1947-1950); Ernst Lemmer (1945-1947); Reinhold Lobedanz (1946-1950); Walther Schreiber (1945); Max Sefrin (1966-1989); Theodor Steltzer (1945); Heinrich Toeplitz (1966-1989).

    Generalsekretäre: Georg Dertinger (1946-1949); Gerald Götting (1949-1966); Martin Kirchner (1989-1990).

    Vorsitzende der CDU-Landesverbände: Berlin: Karl Brammer (1945-46), Kurt Landsberg (1946-48), - seit Febr. 1948 CDU-Arbeitskreis Groß-Berlin- Helmut Brandt (1948-49), Arnold Gohr (1949-52); Brandenburg: Wilhelm Wolf (1945-48), Ernst Zborowski (1948), Karl Grobel (1948-50), Hermann Gerigk (1950-52), Hans-Paul Ganter-Gilmanns (1952 kommissarisch), Heinz Sauer (1952), Herbert Schirmer (1990); Mecklenburg: Reinhold Lobedanz (1945-52), Günther Krause (1990); Sachsen: Hugo Hickmann (1945-50), Otto Freitag (1950 kommissarisch), Josef Rambo (1950), Magnus Dedek (1950-52), Klaus Reichenbach (1990); Sachsen-Anhalt: Leo Herwegen (1945-48), Erich Fascher (1948-50), Leopold Becker (1950 kommissarisch), Josef Wujciak (1950-52), Gerd Gieß (1990); Thüringen: Max Kolter (1945), Walter Kröner (1946), Otto Schneider (1947), Siegfried Trommsdorff (1947-50), August Bach (1950-52), Uwe Ehrich (1990).

    Angehörige des Ministerrates der DDR: Otto Nuschke (Stellvertretender Ministerpräsident 1949-57), Luitpold Steidle (Minister für Arbeit und Gesundheitswesen 1949/50, Minister für Gesundheitswesen 1949-58), Georg Dertinger (Minister für Auswärtige Angelegenheiten 1949-53), Friedrich Burmeister (Minister für Post- und Fernmeldewesen 1949-63), Heinz Winkler (Minister für Bauwesen 1953-58), Max Sefrin (Minister für Gesundheit 1958-71, Stellvertretender Ministerpräsident 1958-71, Mitglied des Präsidiums des Ministerrates 1965-71), Rudolph Schulze (Stellvertretender Ministerpräsident 1971-89, Minister für Post- und Fernmeldewesen 1963-89), Lothar de Maiziere (Stellvertretender Ministerpräsident 1989-90), Klaus Wolf (Minister für Post- und Fernmeldewesen 1989/90), Peter Michael Diestel (Außenminister 1990), Christa Schmidt (Ministerin für Familie und Frauen 1990), Herbert Schirmer (Minister für Kultur 1990), Horst Gibtner (Minister für Verkehr 1990), Gerhard Pohl (Minister für Wirtschaft 1990).

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    Kurzbiographien

    Dr. rer. pol. Andreas Hermes (1878-1964), Staatswissenschaftler, 1919-20 Ministerialdirektor im Reichswirtschaftsministerium, 1920-22 Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, 1922/23 Reichsminister der Finanzen, 1924-28 MdA-Preußen Zentrum, 1928-33 MdR, 1930-33 Präsident des Reichsverbandes der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften – Raiffeisen; Präsident der Vereinigung der christlichen deutschen Bauernvereine; März 1933 verhaftet, 11.01.1945 zum Tode verurteilt; 1945 Mitbegründer und 1. Vorsitzender der CDU in der SBZ, 2. Stellvertreter des Oberbürgermeisters von Groß Berlin und Stadtrat für Ernährung; Dez. 1945 als CDU-Vorsitzender von der SMAD wegen „Widerstands gegen Bodenreformmaßnahmen“ zum Rücktritt gezwungen; 1947-49 Mitglied des Bizonen-Wirtschaftsrats in Frankfurt(Main) und Vorsitzender seines Ernährungsausschusses; 1948-55 Präsident des Deutschen Bauernverbandes und 1948-61 des Deutschen Raiffeisen-Verbandes in den Westzonen bzw. der Bundesrepublik Deutschland.

    Dr. jur. Walther Schreiber (1894-1958), Rechtsanhalt in Halle, 1919-22 Mitglied des Parteiausschusses der DDP, 1919-33 MdA-Preußen (Fraktionsvorsitzender), 18.02.1925- 20.07.1932 preußischer Minister für Handel und Gewerbe, stellvertretender Vorsitzender des „Reichsbanner“ in Halle, 1925-30 Mitglied des Vorstandes der DDP; ab 1933 Rechtsanwalt und Notar in Berlin, Juni- Dez. 1945 2. Vors. der CDU in der SBZ, 1946-48 1. Stellvertreter des Stadtverordnetenvorstehers von Groß-Berlin, Apr. – Dez. 1947 Mitglied des CDU-Hauptvorstandes, Nov./Dez. 1947 Mitglied des Parteiausschusses der CDU, 1947/48-52 Landesvorsitzender der CDU in Berlin(West), ab 1948 MdA-Berlin (1949-50 Fraktionsvorsitzender der CDU), 1950-53 Bürgermeister von Berlin, 1953-55 Regierender Bürgermeister von Berlin, 1955 Ehrenvorsitzender des CDU-Landesverbandes.

    Jakob Kaiser (1888-1961), Buchbinder; 1919 Stellvertretender Vorsitzender der Rheinischen Zentrumspartei, 1924-33 Geschäftsführer der Christlichen Gewerkschaften Westdeutschlands, 1928-33 Mitglied des Reichsvorstandes der Zentrumspartei, 1932-33 MdR; Widerstandstätigkeit; 1945 Mitbegründer der CDU, Juli- Aug. 1945 Mitglied des CDU-Parteivorstandes, dann bis Dez. 3. Vorsitzender, ab Dez. 1945 1.Vorsitzender der CDU Berlins sowie der CDU der SBZ, 1946/47 Mitglied des FDGB-Bundesvorstandes und des Landesvorstandes Groß-Berlin, 1946-49 Stadtverordneter, Dez. 1947 Absetzung als CDU-Vorsitzender der SBZ durch die SMAD, 1948/49 MdPR, seit 1949 Bundesvorsitzender der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, 1949-57 MdB, 1949-57 Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, 1950-61 Vorsitzender der Exil-CDU, 1950-58 stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU, seit 1961 Ehrenvorsitzender der CDU.

    Ernst Lemmer (1898-1970), Nationalökonom, Journalist; Leutnant der Reserve, Nov. 1918 Vorsitzender des Soldatenrates Remscheid und dessen Vertreter auf dem Essener Rätekongreß, 1918 Mitglied der DDP (linker Flügel), 1922-33 Generalsekretär der „Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine“, 1923-29 Führer des „Reichsbundes der demokratischen Jugend“ (DDP-Jugendorganisation), seit 1924 Mitglied des Parteivorstandes der DDP, Dez. 1924 – Nov. 1932 MdR, 2. Vorsitzender des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, Okt. 1929 – Nov. 1930 stellvertretender Parteivorsitzender der DDP, 1930-33 Mitglied des Hauptaktionsausschusses der DStP, März – 7.07.1933 MdR; 1933-45 Korrespondent der „Neuen Züricher Zeitung“ und des „Pester Lloyd“; 1945 Mitbegründer der CDU, 1945-49 3. Vorsitzender des FDGB, Dez. 1945 – Dez. 1947 2. Vorsitzender der CDU in der SBZ und Groß-Berlin (1947 Absetzung durch die SMAD), 1946-49 MdL-Brandenburg, 1947-50 Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU, 1948-49 Vizepräsident des Kulturbundes (KB); Mai 1949 Übersiedlung nach Berlin(West), 1950-61 stellvertretender Vorsitzender der Exil-CDU, 1950-70 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses (1951-56 Fraktionsvorsitzender), Febr. 1952-70 MdB, 1956-61 Landesvorsitzender der CDU-Berlin(West), anschließend Ehrenvorsitzender; 1956-57 Bundespostminister, 1957-62 Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen, 1961-70 Vorsitzender der Exil-CDU, 1963-64 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 1964-65 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte; 1965-69 Sonderbeauftragter des Bundeskanzlers für Berlin.

    Dr. rer. pol. Johann Baptist Gradl (1904-1988), Bankkaufmann, Diplom-Volkswirt; 1926-30 Redaktreur beim Zentrumsorgan „Germania“, 1930-33 Vorsitzender der Zentrumspartei in Berlin Kreuzberg; 1931-38 Mitglied der Geschäftsführung des „Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes“, 1938-45 in der Geschäftsführung der Reichsgruppe Banken in Berlin; 1945 Mitbegründer der CDU, 1945 – Ende 1947 Mitglied im Hauptvorstand der CDU in Berlin und der SBZ sowie Mitarbeiter des CDU-Parteivorstandes, Dez. 1947 Absetzung durch die SMAD, ab 1947 Mitglied und geschäftsführender Vorstand der Exil-CDU, 1948-63 Herausgeber der Zeitung „Der Tag“; 1953-71 Mitglied des Bundesvorstandes der CDU, 1957-80 MdB, 1958-75 Präsident des Forschungsbeirats für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands; 1965-66 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte; Nov. – Dez. 1966 Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen, 1969.72 Vorsitzender des Bundestagsausschusses für innerdeutsche Beziehungen, 1970-87 Vorsitzender der Exil-CDU, 1973-87 Vorsitzender des Geschäftsführenden Präsidiums des Kuratoriums Unteilbares Deutschland.

    Werner Jöhren (1900-1959), Architekt und Verlagsbuchhändler; 1930-33 Mitglied des Hauptaktionsausschusses der DStP; 1945 Mitbegründer der CDU, Landrat von Usedom, 1946-48 MdL-Mecklenburg-Vorpommern (Vorsitzender der CDU-Fraktion), 1948 Flucht nach Berlin(West), bis 1959 Leiter des Ostbüros der CDU und Sprecher der Landsmannschaft Mecklenburg im Hauptvorstand der Exil-CDU.

    Prof. Hugo Hickmann (1877-1955), Prof. für Religionswissenschaften; 1919-33 Mitglied der DVP; Vizepräses der Landessynode der evangelisch-lutherischen Kirche Sachsens; 1922-33 MdL-Sachsen (1926-33 Vizepräsident des Landtages); 1933 Berufsverbot; Juli 1945 Mitbegründer der CDU; 1945-50 1. Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Sachsen; Dez. 1945 – Sept. 1947 Mitglied des geschäftsführenden CDU-Vorstandes in der SBZ, Sept.- Dez. 1947 4. stellv. Vors. der CDU; Dez. 1947 – Sept. 1948 kommissarischer Vorsitzender der CDU ; Sept. 1948 – Jan. 1950 2. Vors. der CDU, 1948-50 Mitglied des Politischen Ausschusses der CDU; 1946 Vorstandsmitglied der Beratenden Landesversammlung Sachsen; Okt. 1946 – Febr. 1950 Vizepräsident des Sächsischen Landtags; 1946/47 Mitglied seines Verfassungsausschusses; 1948/49 Mitglied des Deutschen Volksrats und seines Verfassungsausschusses; Okt. 1949 – Jan. 1950 Abgeordneter und Vizepräsident der Provisorischen Volkskammer; 1950 Niederlegung aller öffentlichen Ämter durch SED-Angriffe erzwungen; Parteiausschluß; 1950 Vorstandsmitglied der Exil-CDU der SBZ, Verbindungsmann der Exil-CDU in Sachsen; 1950-55 Vorsitzender der sächsischen Hauptbibelgesellschaft.

    Otto Nuschke (1883-1957), Journalist, 1915-30 Chefredakteur der „Berliner Volkszeitung“; 1902 Mitglied des „Nationalsozialen Vereins“, 1906-10 Generalsekretär der „Freisinnigen Vereinigung“ in Hessen, 1918 Mitbegründer der DDP (linker Flügel), 1919-20 MdWNV, 1919-21 Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der DDP, 1919-30 Mitglied des Vorstandes der DDP, 1921-33 MdA-Preußen, 1924 Mitglied des Reichsausschusses des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, 1931-33 Leiter der Reichsgeschäftsstelle der DStP, 1933 Berufsverbot, Landwirt; 1945 Mitbegründer der CDU, 1945 Verlagsdirektor der „Neuen Zeit“ und Geschäftsführer des Union-Verlages in Berlin, 1946 Mitglied des Parteivorstandes der CDU, 1946-52 MdL-Brandenburg, 1947-48 Vorsitzender des Volkskongresses, 1947 kommissarischer Vorsitzender der CDU, seit 19.09.1948 Vorsitzender der CDU in der SBZ bzw. der DDR, 1948-49 Ko-Vorsitzender des Deutschen Volksrates, 25.05.1949 Vorsitzender des Präsidiums des Deutschen Volksrates, 1949-57 MdVK, 1949-57 Stellvertretender Ministerpräsident der CDU und Leiter des Amtes für Kirchenfragen, seit 1950 Mitglied des Präsidiums der NF.

    Georg Dertinger (1902-1968), 1922 Abitur, Studium der Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft, Volontär bei der „Magdeburgischen Zeitung“; Mitglied der DNVP; Mitarbeiter in der Redaktion der Bundeszeitung des „STAHLHELMS“ in Magdeburg und anderer DNVP-Zeitungen; enge Kontakte zum „Herrenklub“ (Franz von Papen) und zum „Tat“-Kreis (Hans Zehrer); 1933/34 Mitarbeiter des Vizekanzlers von Papen bei Verhandlungen zwischen dem Deutschen Reich und dem Vatikan, ab 1934 Mitarbeiter, später Herausgeber der Korrespondenz „Dienst aus Deutschland“; 1945 Mitglied der CDU, Pressereferent der Hauptgeschäftsstelle in Berlin, Jan. 1946- Okt. 1949 Generalsekretär der CDU in der SBZ, Mitglied des Parteiausschusses des CDU-Hauptvorstandes, 1948/49 Mitglied der Deutschen Wirtschafts-Kommission, maßgeblich an der Gleichschaltung der CDU beteiligt; 1948-53 Mitglied des Volksrates, bzw. der (Provisorischen) Volkskammer, 1949-53 DDR-Minister für Auswärtige Angelegenheiten, 1949-53 Präsidialrates des Kulturbundes; unterzeichnete am 6.07.1950 das Abkommen mit Polen zur Oder-Neiße-Grenze; 1952/53 stellvertretender Vorsitzender der CDU; am 15.01. 1953 als „Spion“ und „Verräter“ vom SSD verhaftet und aus der CDU ausgeschlossen;Juni 1954 vom Obersten Gericht wegen angeblicher „Verschwörung“ und „Spionage und Zusammenarbeit mit westlichen Geheimdiensten“ zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, Haft im Zuchthaus Bautzen; Mai 1964 begnadigt, anschließend Mitarbeiter für die „Caritas“ und Lektor beim „St. Benno-Verlag“ in Leipzig.

    Dr. jur. Reinhold Lobedanz (1880-1955), Ministerialrat, 1923-30 Landesvorsitzender der DDP-Mecklenburg; 1945-52 Landesvorsitzender der CDU-Mecklenburg, 1945-47 4. Vorsitzender der CDU in der SBZ, 1946-52 MdL-Mecklenburg (Vizepräsident), 1946-50 stellvertretender Vorsitzender der CDU, 1947 Mitglied des Präsidiums des Volkskongresses, 1947 kommissarischer Vorsitzender der CDU, 1949-55 Mitglied des Politischen Ausschusses des CDU-Hauptvorstandes, 1949-55 Präsident der Länderkammer der DDR.

    August Bach (1897-1966), Verlagsleiter; 1922-44 Mitherausgeber der „Berliner Monatshefte“, Anhänger der DDP; 1945 Mitbegründer der CDU, Mitglied des CDU-Landesvorstandes und seines Geschäftsführenden Ausschusses; 1946-48 Verlagsleiter und 1949-58 Chefredakteur des „Thüringer Tageblattes“ in Weimar, 1948-66 Präsident der Deutschen Schillerstiftung, 1949-52 MdL-Thüringen und 1. Vizepräsident des Landtages, seit 1949 MdProvVK und MdVK, 1949-55 Vorsitzender der CDU-Fraktion, 1950-52 Landesvorsitzender der CDU-Thüringen, seit 1950 Mitglied des CDU-Hauptvorstandes, seit 1952 Mitglied des Präsidiums des Hauptvorstandes der CDU, 1955-58 Präsident der Länderkammer der DDR, seit 18.03.1958 Vorsitzender der CDU, 1958-63 Stellvertreter des Präsidenten der Volkskammer, 1963-66 Mitglied des Präsidiums der Volkskammer.

    Gerald Götting (*1923), Studium der Philologie (ohne Abschluß); 1946 Mitglied der CDU, 1947 Mitglied und 1948 3. Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Sachsen-Anhalt und seitdem Mitglied des CDU-Hauptvorstandes; 1948/49 Mitglied des Deutschen Volksrats; 1949-66 Generalsekretär der CDU; 1949 – März 1990 Abgeordneter der (Provisorischen) Volkskammer, 1950-58 Vizepräsident der Volkskammer; 1958-63 Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Volkskammer; 1960-69 stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Nationale Verteidigung; 1960-89 stellvertretender Vorsitzender des Staatsrats; 1963-69 Vorsitzender des Volkskammerausschusses für Auswärtige Angelegenheiten; 1966-89 Vorsitzender der CDU; 1969-76 Präsident der Volkskammer, 1976-89 stellvertretender Präsident der Volkskammer; 2.11.1989 Rücktritt als CDU-Vorsitzender; 17.11.1989 Abberufung aus dem Staatsrat; Febr. 1991 gegen seinen Willen aus der CDU ausgeschlossen; Juli 1991 vom Berliner Landgericht wegen Veruntreuung von Parteigeldern zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt.

    Wolfgang Heyl (*1921), Zimmermann; 1939 Mitglied der NSDAP, Oberleutnant der Wehrmacht; 1947-52 Geschäftsführer der IHK Borna; 1949 Mitglied der CDU; 1952-54 Organisationssekretär bzw. stellvertretender Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Leipzig, 1953-58 Abgeordneter des Bezirkstages Leipzig; 1954-58 Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Leipzig; 1958-66 stellvertretender CDU-Generalsekretär; 1958 – März 1990 Abgeordneter der Volkskammer; 1963-89 Vorsitzender der CDU-Fraktion; seit 1971 Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten; 1966-71 Mitglied des Präsidiums und des Sekretariats des CDU-Hauptvorstandes; 1971-89 stellvertretender CDU-Vorsitzender; 1976- Nov. 1989 Mitglied des Präsidiums der Volkskammer; Nov. 1989 amtierender CDU-Vorsitzender; Rücktritt aus Gesundheitsgründen (Herzinfarkt).

    Lothar de Maiziere (*1940), Orchestermusiker (Viola) und Rechtsanwalt; 1986-90 Vizepräses der Synode des Bundes der Evangelischen Kirche der DDR; seit 1956 Mitglied der CDU, 1987 Mitglied der Arbeitsgruppe Kirchenfragen der CDU, 10. Nov. 1989-90 Vorsitzender der CDU der DDR, 17.11.1989 – März 1990 stellvertretender Ministerpräsident der DDR und Minister für Kirchenfragen, 1990 MdVK, 12.04.- 2.10.1990 Ministerpräsident der DDR, Okt. 1990-91 1. stellv. Bundesvorsitzender der CDU Deutschlands, Okt. 1990 – 11.09.1991 MdB, Okt. – Dez. 1990 Bundesminister für besondere Aufgaben, Nov. 1990-91 Landesvorsitzender der CDU Berlin, 6.09.1991 Rücktritt als stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender und Aufgabe des Bundestagsmandates; seitdem Anwalt in Berlin; Vorsitzender der Stiftung Denkmalschutz Berlin.

    Martin Kirchner (*1949), Diplom-Jurist; 1967 CDU, 1973-75 Mitarbeiter beim Sekretariat des CDU-Hauptvorstandes; ab 25.08.1973 als IM der Stasi erfaßt; 1975-86 juristischer Mitarbeiter bzw. Leiter des Kreiskirchenamtes Gera; 1986 juristischer Oberkirchenrat; 1987-89 stellvertretender Vorsitzender des Landeskirchenrats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen; Mitglied der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR; Sept. 1990 Mitunterzeichner des „Weimarer Briefes“, Dez. 1989-90 CDU-Generalsekretär; März-Okt. 1990 Abgeordneter der Volkskammer; Aug. 1990 Entbindung vom Amt des CDU-Generalsekretärs, nachdem seine IM-Tätigkeit bekannt geworden ist; Austritt aus der CDU.

    Dr. med. Sabine Bergmann-Pohl (*1946), Fachärztin; 1981 CDU, 1990 Mitglied des Landesvorstandes Berlin(Ost) der CDU, 1990 Abgeordnete der Volkskammer, 1990 Präsidentin der Volkskammer (in dieser Eigenschaft auch letztes Staatsoberhaupt der DDR), seit 1990 MdB, 1990-92 Mitglied des CDU-Präsidiums, Okt. 1990 – Jan. 1991 Bundesministerin für besondere Aufgaben, 1991-98 Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit.

    Dr.-Ing. et Dr. sc. techn. Günther Krause (*1953), Oberassistent an der Ingenieur-Hochschule, Leiter des Wissenschaftsbereiches Informatik; 1975 CDU, 1987 Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Bad Doberan; 1990 – Mai 1993 Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern; März – Okt. 1990 Abgeordneter der Volkskammer und Vorsitzender der CDU-Fraktion; Apr. – Okt. 1990 Parlamentarischer Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten, Verhandlungsführer der DDR-Seite bei den Verhandlungen über die Staatsverträge DDR- Bundesrepublik Deutschland; Okt. 1990 Mitglied des Präsidiums der CDU, 1990-94 MdB; Okt. 1990- Jan. 1991 Bundesminister für besondere Aufgaben, Jan. 1991 – Mai 1993 Bundesminister für Verkehr; 6.05.1993 Rücktritt wegen der „Putzfrauenaffäre“, 1993-94 Sprecher der ostdeutschen Parlamentarier.

    Manfred Klein (*1925), Jurastudent in Berlin-Ost, praktizierender Katholik, aktiv in der katholischen Jugendbewegung, aktives CDU-Mitglied, 26.02.1946 Mitbegründer der FDJ (sein Name steht neben dem von Erich Honecker, Heinz Keßler und Paul Verner auf dem Gründungsdokument). Stellvertretender Vorsitzender der FDJ sowie Leiter des Kulturreferates im Zentralrat der FDJ, Mgl. d. CDU-Hochschulgruppe sowie des Studentenrates der Berliner Universität, 13.03.1947 mit 20 weiteren Studenten von der Sowjetischen Militäradministration verhaftet, zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, 1956 Haftentlassung, anschließend Flucht in den Westen.

    Georg Wrazidlo (1917-1959), 1942 Anschluß an die Widerstandsgruppe Schulze-Boysen und Harnack („Rote Kapelle”), 1944-45 Einzelhaft im KZ-Buchenwald, nach 1945 Medizinstudium in Berlin, 1945 Mitbegründer der CDU in Berlin, Gründungsmitglied der FDJ, Leiter der Studentischen Arbeitsgemeinschaft der Universität Berlin, am 13.03.1947 verhaftet und von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, 1956 Haftentlassung, 1959 verstorben.

    Dr. jur. et Dr. rer. pol. Günter Gereke (1893-1970), 1919-22 Landrat in Torgau, ab 1924 Gutsbesitzer; 1924-28 MdR-DNVP; 1929 Austritt aus der DNVP; stellvertretender Vorsitzender der Christlich-Nationalen Bauern- und Landvolkpartei; Präsident des Deutschen Landgemeindetags; 1930-32 MdR; 1932/33 Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung in den Kabinetten Schleicher und Hitler; März 1933 Amtsenthebung und Verhaftung wegen Unterschlagung von 1,2 Millionen Reichsmark zugunsten des Landgemeindetags; Verurteilung zu 30 Monaten Haft; 1935 aus der Haft entlassen; 1946-47 Innenminister des Landes Niedersachsen; 1947 Geschäftsführender Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Niedersachsen; 1948-50 stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Niedersachsen; Juni 1950 Reise nach Berlin(Ost), 5.06.1950 Treffen mit Walter Ulbricht, anschließend Ausschluß aus der CDU wegen „schwerer Schädigung des Parteiansehens“ und Rücktritt von allen Ämtern; 1950/51 Mitglied des BHE; 1951 Austritt nach geheimen Absprachen mit Berlin(Ost); 1951 Mitbegründer, Vorsitzender und MdL der DSP; Juli 1952 Übertritt in die DDR; Mitglied der CDU (DDR); Mitglied des Präsidiums des Nationalrats und Vorsitzender des Bezirksausschusses der Nationalen Front (NF) in Frankfurt(Oder); 1952-68 Präsident der Zentralstelle für Vollblutzucht und Leistungsprüfungen.